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Straßenlaterne mit P-Verkehrsschild, das die Benutzung einer Parkscheibe oder einen Bewohnerparkausweis vorschreibt

Digitales Parkraummanagement hat Potenzial – doch es steht vor Hindernissen

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Andrea Reidl

Digitales Parkraummanagement hat Potenzial – doch es steht vor Hindernissen

Wohin mit den Autos? Es gibt in Europa Städte, die steuern den Autoverkehr und -besitz mit einem fein justierten Parkraummanagement. Deutschland hat aus verschiedenen Gründen noch Nachholbedarf, doch es tut sich auch hierzulande etwas.

Seit Jahren stößt der Autoverkehr in Deutschland mehr CO2 aus, als die Klimaziele erlauben. Bis 2030 soll die Menge der Emissionen auf 85 Millionen Tonnen sinken. Das entspricht fast einer Halbierung des Wertes von 2019. Aber der Trend geht in die Gegenrichtung. Die Zahl der Pkw wächst seit Jahren und mit ihr die Summe der gefahrenen Kilometer. Städte wie Zürich, Amsterdam oder Rotterdam steuern gegen. Ihre Strategie ist, den Autobesitz und das Autofahren in den Zentren unattraktiver zu gestalten. Der Blick auf die Daten zeigt, wie systematisch sie dabei vorgehen.

Zürich gilt als die Welthauptstadt des ÖPNV. Seit Jahrzehnten baut die Politik den Bus-, Straßenbahn- und Bahnverkehr aus, inzwischen auch den Rad- und Fußverkehr. Der Platz dafür kommt: immer vom Auto. Bereits 1996 hat der Gemeinderat mit dem „historischen Parkplatzkompromiss Innenstadt“ begonnen, die Zahl der öffentlich zugänglichen Parkplätze im Stadtzentrum auf den Wert von 1990 und damit auf rund 7.600 Stellplätze zu begrenzen. Für jeden neu geschaffenen Parkplatz in einem Parkhaus sollte ein Stellplatz im öffentlichen Raum entfernt werden. Rund 1.000 Stellplätze sind laut Erich Willi, Verkehrsingenieur in Zürichs Tiefbauamt, seitdem von der Straße in Parkhäuser verlegt worden. Die frei gewordenen Straßenparkplätze wurden zu breiteren Trottoirs, Alleen und Stadtplätzen umgebaut.

Zürich hat Rückenwind für die ersatzlose Entfernung von Parkplätzen

„Dann wurden keine weiteren Parkgaragen mehr in der Innenstadt gebaut und der Abbau der Straßenparkplätze kam zum Erliegen“, sagt Willi. Das war ein Problem. Denn das langfristige Ziel der Politik ist, im gesamten Stadtgebiet die Mehrheit der 25.000 Straßenparkplätze zu entfernen. Statt im öffentlichen Raum sollten die Autos zukünftig nur noch in öffentlichen und privaten Parkgaragen abgestellt werden. Bereits heute stehen die meisten Privatwagen auf einem der 205.000 Stellplätze in privaten Parkgaragen.

Den Rückenwind für dieses Konzept erhielt Zürich per Volksabstimmung zum kommunalen Verkehrsrichtplan im Herbst 2021: 57,4 Prozent stimmten ihm zu. Seitdem können Straßenparkplätze in der Innenstadt reduziert werden, ohne Ersatz in Parkhäusern schaffen zu müssen. Gleichzeitig werden Anwohner:innenparkplätze aufgehoben, wenn in Ersatzneubauten private Parkgaragen entstehen. Beim Abbau geht die Verwaltung systematisch vor. „Die Parkplätze werden immer dann entfernt, wenn Straßen saniert werden, durch Nachverdichtung neue private Parkgaragen entstehen oder Alleen angelegt werden, um das Stadtklima zu verbessern“, erklärt der Verkehrsexperte Willi. Seit 2019 erfasst die Verwaltung bei jedem dieser Straßenbauprojekte systematisch das mögliche Einsparpotenzial. Demnach könnten stadtweit aktuell weitere 1.700 Stellplätze wegfallen. „Bislang wurden etwa 150 abgebaut“, konstatiert Willi. In den kommenden Jahren werde diese Zahl stark steigen.

In Zürich stehen schon jetzt die meisten Autos auf privaten Parkplätzen. | Bild: aldorado – stock.adobe.com


Für Martina Hertel, Mobilitätsexpertin am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), ist das ein wichtiger Schachzug. „Der Umzug von der Straße ins Parkhaus stellt erstmals Chancengleichheit bei der Verkehrsmittelwahl her“, sagt sie. Solange der Wagen vor der Haustür parke, sei es immer bequemer, ihn zu nutzen, statt zur nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle zu laufen.

In Zürich zeigt die Verkehrspolitik kontra Auto Wirkung. Momentan nutzen etwa 25 Prozent der Stadtbewohner:innen ihren Privatwagen, wenn sie in Zürich unterwegs sind. „Das sind 15 Prozent weniger als im Jahr 2000“, erläutert Willi. Das Verkehrsaufkommen insgesamt wachse, aber die Frequenz des Autoverkehrs sei seit Jahren konstant, während immer mehr Menschen zu Fuß gingen oder Fahrrad, Bus und Straßenbahn nutzten. Bis 2025 will die Politik den Anteil des privaten Autoverkehrs auf 20 Prozent senken.

Amsterdam verringert die Zahl der Parkausweise für Anwohner:innen, Rotterdam macht Parkhausparken attraktiver

Auch Amsterdam, die Fahrradstadt der Niederlande, hat ein Autoproblem. Wer im Ausflugsboot durch die Grachten schippert, blickt auf eine Reihe glänzender Motorhauben an der Kaimauer. Zwar erledigen die Stadtbewohner:innen die meisten Wege per Fahrrad (35 Prozent), aber immer mehr schaffen sich ein Auto an oder bringen es beim Umzug mit in die Stadt. 2010 kamen 192 Pkw auf 1.000 Einwohner:innen, 2015 waren es bereits 247. Aber auch in Amsterdam steuert die Politik gegen. Mit ihrem Parkraummanagement arbeitet Amsterdams Stadtregierung daran, den Autobesitz und das Einpendeln in die Stadt mit dem Privatwagen zu reduzieren.

Das Parken ist in der niederländischen Hauptstadt schon lange teuer. Anwohner:innen zahlen 531 Euro pro Jahr für einen Parkausweis, Besucher:innen 7,50 Euro pro Stunde. 2018 hat die damalige Stadträtin für Verkehr, Sharon Dijksma, erklärt, dass bis 2025 bis zu 10.000 Parkplätze an den Grachten und aus den schmalen Wohnstraßen entfernt werden sollen. Im Februar 2022 waren bereits 4.081 Stellplätze zu Grünflächen, Rad- und Fußwegen oder Ähnlichem umgebaut worden.

An einzelnen Standorten hätten durchaus noch deutlich mehr Parkplätze wegfallen können, meint Leendert Miedema, Senior Advisor Parken im Amsterdamer Stadtrat. Aber das hätte den ohnehin schon hohen Parkdruck weiter verschärft und auch den Parksuchverkehr gesteigert. Stattdessen versucht die Stadt, über die Anzahl der Anwohner:innenparkausweise den Autobesitz zu regulieren. „Alle sechs Monate reduzieren wir die Zahl der Anwohnerparkausweise um rund 1,1 Prozent“, sagt Miedema. Sobald jemand die Stadt verlasse, sein Auto aufgebe oder sterbe, würden die Ausweise nicht mehr ersetzt. Bereits heute warten Anwohner:innen zwischen einem und 13 Monate auf ihren Parkausweis. In Bezirken mit Parkdruck und Neubaugebieten werden gar keine mehr ausgeben.

In Amsterdam wächst die Zahl der Pkw – die Politik steuert gegen. | Bild: Tupungato – stock.adobe.com


In der Autostadt der Niederlande, Rotterdam, ist das Ordnen des Parkens nur eines von vielen Instrumenten, um den privaten Pkw-Verkehr im Zentrum zu reduzieren. 2020 hat die Stadtregierung mit Partner:innen aus verschiedenen Behörden und der Zivilgesellschaft beschlossen, mit sieben Stadtprojekten die Innenstadt klimaresilient umzubauen. Dazu gehört, dass große Parkflächen und Fahrspuren an Hauptverkehrsachsen zu Parks und Grünflächen werden. Parallel dazu versucht die Verwaltung, die Fahrzeughalter:innen über den Geldbeutel ins Parkhaus zu locken. Seit 2018 ist das Parken am Straßenrand mit 4,08 Euro pro Stunde etwa doppeltso teuer wie im Parkhaus.

Mit dem Tarifwechsel hat die Stadt ebenfalls damit begonnen, Parkplätze im Innenstadtraum zu entfernen. „Bis zum Frühjahr 2022 wurden 3.000 Straßen-Stellplätze abgebaut“, konstatiert Bastiaan Pigge, zuständig für Parken und smarte Mobilität in Rotterdam. Damit steigt der Druck und die Anwohner:innen suchen Alternativen. 222 hätten vom Straßenparken in städtische Parkhäuser gewechselt, ergänzt Pigges Kollege Dennis Uijtdewilligen. Im Rahmen eines Pilotprojekts können Autobesitzer:innen bald mit Anwohner:innenparkausweisen in einigen Gebieten in nahegelegene Parkhäuser wechseln. Dem ersten Aufruf sind laut Uijtdewilligen 110 von 2.100 berechtigten Fahrzeughalter:innen gefolgt. Jetzt soll der Aufruf ausgeweitet werden.

Auch in Deutschland ist das Potenzial groß, doch es fehlen Personal, Daten und politischer Wille

Theoretisch wäre dieser Wechsel auch in Deutschland denkbar. Der Stadtplaner Tim Lehmann hat 2016 mit seinem Institut für urbane Mobilität für Berlin allein 50.000 freie Plätze in Parkhäusern für Langzeitparker:innen ermittelt und weitere 80.000 freie Plätze fürs Parken zwischen 18 und 9 Uhr bei Supermärkten. In der Stuttgarter Innenstadt stehen laut der Berliner Denkfabrik Agora Verkehrswende mittags um 14 Uhr rund 52 Prozent der Flächen in Parkhäusern leer, um 18 Uhr sogar 66 Prozent. „Das Potenzial in den Kommunen ist groß, parkende Autos vom Straßenrand ins Parkhaus zu schaffen“, meint auch Difu-Expertin Hertel.

In vielen deutschen Kommunen bestimmt der Parkverkehr das Straßenbild und die Aufenthaltsqualität – oft im negativen Sinne. In schmalen historischen Wohnstraßen stehen Fahrzeuge häufig ordnungswidrig mit zwei Rädern auf Gehwegen oder reichen mit ihren Motorhauben weit in die Kreuzung hinein. Für flächendeckende und regelmäßige Kontrollen, um das chaotische Parken wenigstens in geordnete Bahnen zu lenken, fehlt den Kommunen jedoch das Personal. Zürich greift dagegen durch. Dort kontrollieren seit Jahren externe Unternehmen und Mitarbeiter:innen der Stadt die Straßen. „Das Zuparken einer Kreuzung kostet 800 Franken, das sind rund 770 Euro“, führt Verkehrsingenieur Willi aus. „Das macht man nur ein Mal.“ Die Niederlande setzen Scanfahrzeuge ein, die das Einhalten der Regeln kontrollieren. Die Hotspots in Amsterdams Zentrum werden laut Stadtrat Miedema bis zu sechsmal täglich kontrolliert. In besonders sensiblen Gebieten wie Fußgängerzonen sind die Parkverstöße seitdem um 90 Prozent zurückgegangen.

Dass unsere europäischen Nachbar:innen beim Parkraummanagement einen Schritt weiter sind, liegt auch an den Daten, die sie haben: so etwa die Anzahl an öffentlichen und privaten Stellplätzen in der Stadt, die Summe der ausgegebenen Anwohner:innenparkausweise oder die Summe der rückgebauten Stellplätze und die Zielmarke, die erreicht werden soll. In Zürich zählen die Angestellten eines beauftragten Büros vor Ort alle zwei Jahre die öffentlich zugänglichen Parkplätze in Straßen und Parkhäusern. Die privaten Parkplätze, die das Gros der Parkfläche ausmachen, werden im Rahmen der Baubewilligungsverfahren automatisch erfasst. Bewilligte sowie aufgehobene Parkplätze auf der jeweiligen Parzelle werden statistisch erfasst und aktualisiert. Die Amsterdamer Verwaltung nutzt Luftaufnahmen und Befahrungsbilder von Scanfahrzeugen, um die Zahl der Parkplätze zu bestimmen. Allerdings könnten die Scanfahrzeuge laut Miedema die Abmessungen der Parkplätze nur ungenau erfassen. Deshalb werde vor Ort per Hand nachgemessen und die GPS-Koordinaten in der Datenbank würden bei Bedarf aktualisiert.

Deutschland hat bei der Datenerhebung zum Parken noch Nachholbedarf. Die meisten Städte erheben diese Daten gar nicht oder nur teilweise, in der Folge greifen sie auch kaum steuernd ein. Ein Grund dafür ist die jahrzehntelange Vorrangstellung des Autos. Das deutsche Straßenverkehrsrecht dient dem Ziel, dass der Pkw-Verkehr sicher und flüssig läuft – so steht es in Straßenverkehrsgesetz (StVG) und Straßenverkehrsordnung (StVO) (PDF, S. 56 ff.). Parkraummanagement darf demnach nicht einfach eingeführt werden, sondern muss straßenverkehrsbezogene Gründe haben, zum Beispiel der Beseitigung von Gefahren dienen. Und noch immer darf in den Innenstädten überall, wo es laut StVO nicht ausdrücklich verboten ist, geparkt werden. Hinzu kommt, dass die Kommunen Parkgebühren laut StVG und StVO nur anordnen dürfen, wenn der Parkdruck in einem Quartier hoch ist (PDF). Die im internationalen Vergleich äußerst niedrigen Parkgebühren zu erhöhen, ist ohnehin eine unpopuläre Maßnahme.

Erste Steuerungsversuche in engem Rahmen gibt es auch hierzulande

In diesem engen Rahmen versuchen Kommunen dennoch, den Parkverkehr zu steuern. Drei Beispiele:

  • In Berlin-Mitte sind seit April 2022 Scanfahrzeuge unterwegs. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz will damit im Gebiet des S-Bahn-Rings alle verfügbaren öffentlichen Parkplätze und deren Auslastung erfassen, um die Wirkung neuer Parkzonen zu untersuchen und die geplante Parkraumbewirtschaftung zu optimieren. Schon im vergangenen Jahr liefen erste Tests dazu (siehe Tweet oben).
  • In Paderborn baut der städtische Eigenbetrieb ASP mit den Fraunhofer-Instituten IEM und IOSB-INA derzeit ein Netz an Sensoren auf, das die rund 4500 Parkplätze in der Innenstadt erfassen soll. Freie Parkplätze sollen dann online sowie auf verschiedenen Displays des städtischen Parkleitsystems angezeigt werden. „Es fehlen noch circa fünf Prozent der Sensoren, die Makro- und Mikro-Displays sowie die erforderliche Software für das Datenmanagement“, schreibt Projektleiter Dietmar Regener auf Anfrage. „Ich rechne mit einer Fertigstellung bis zum Sommer 2022.“ Die Stadt arbeite außerdem an einem integrierten Mobilitätskonzept. In diesem Rahmen würden auch verschiedene Maßnahmen des Parkraummanagements diskutiert, darunter die Konzentration des Parkraums auf Großparkplätze und Parkhäuser, die sukzessive Erhöhung der Parktarife und die Ausweitung des Bewohnerparkens.
  • In Aachen wurde im Rahmen des mFUND-Projekts „Analyse der Merkmale des städtischen Parkens“ per Luftbildanalyse und Begehungen in einem Quartier der bewirtschaftete Parkraum systematisch erfasst. Die Daten wurden mit den Parkdaten aus dem Liegenschaftskataster auf mehreren Layern in einem Geoinformationssystem zu einer digitalen Parkkarte zusammengetragen. „Wir wissen über den öffentlichen Parkraum wenig, aber wir können ihn mit technischen Mitteln erheben“, sagt Conny Louen, promovierte Oberingenieurin am Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Ein großer weißer Fleck sei hingegen weiterhin der private Parkraum. Für ein zielführendes Parkraummanagement sei aber die Kenntnis des gesamten Parkraums erforderlich. „Je besser wir Angebot und Nachfrage kennen, umso präziser können wir steuernd eingreifen“, erklärt sie.

Eine fundierte Erhebung und Analyse von Daten würden immer wichtiger, führt Martina Hertel aus. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Feinjustierung geht. „Künftig sollten mögliche Doppelnutzungen beispielsweise von Parkhäusern stets mitgedacht werden“, ergänzt die Mobilitätsexpertin. So könnten Firmenparkplätze tagsüber von Angestellten belegt werden und nachts von Anwohnenden. Für Datenexpert:innen ist das ein Rechenvorgang. Planer:innen können mit ihnen die Alltagsmobilität verändern.

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