mFUND-Konferenz: Mobilitätsdaten grenzüberschreitend nutzbar machen

in die Zwischenablage kopiert

Zuletzt bearbeitet am

Henry Steinhau

mFUND-Konferenz: Mobilitätsdaten grenzüberschreitend nutzbar machen

Die Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch die diesjährige mFUND-Konferenz: Der Weg zu mehr Austausch und besserer Nutzung von Mobilitätsdaten führt über Standardisierung von Datenformaten, Datenanreicherung, Metadaten sowie über flexible Schnittstellen – und offene Datenräume. Dies zeigte sich immer wieder in den 32 Panels, Sessions und Workshops, die den mehr als 400 Teilnehmenden zur Auswahl standen.

Ludwig Reicherstorfer und Wiebke Glässer vom iRights.Lab im Sendestudio der m FUND Konferenz 2021

Foto: BMVI

Ludwig Reicherstorfer und Wiebke Glässer (iRights.Lab) moderierten die zwei Konferenztage im Sendestudio der mFUND-Konferenz 2021
Grafik mit den Ergebnissen einer Teilnehmenden-Befragung zu den Erwartungen an den Konferenztag

Foto: BMVI

Die Teilnehmenden der mFUND-Konferenz 2021 gaben in mehreren Echtzeitumfragen Auskunft, etwa zu ihren Erwartungen an den Konferenztag

Ein zentraler Schlüssel für grenzüberschreitende Mobilitätsdienste läge in der „Interoperabilität“ von Daten, so Maja Bakran Marcich, stellvertretende Generaldirektorin Mobilität und Verkehr in der EU-Kommission, in ihrem Impulsvortrag zum Auftakt der zweitägigen mFUND-Konferenz 2021. Der Begriff Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme, möglichst nahtlos zusammenzuarbeiten. Die Europäische Union (EU) arbeite darauf hin, diese Eigenschaft von Mobilitätsdaten zu verbessern. Damit Mobilitätsdaten häufiger und effizienter für innovative und nachhaltige Lösungen genutzt werden können, sind laut Bakran vor allem Standardisierungen von Datenformaten erforderlich.

Als positives Beispiel, dass sich solche Standards EU-weit umsetzen lassen, nannte sie die digitale Fluggastdatenerfassung (digital Passenger Locator Forms, kurz: dPLF) sowie den in den Mitgliedsstaaten anerkannten digitalen Covid Pass. Diese Standardisierungen seien in vergleichsweise kurzer Zeit realisiert worden. Zugleich müssten in der EU die Beteiligten aus Behörden, Einrichtungen und Unternehmen grundsätzlich – und mehr als bisher – zum Teilen von Daten bereit sein. Dafür gelte es, ein „Mindset for Openess“ zu kultivieren, gemeint ist eine positive Einstellung zu offenen Daten (Open Data).

Mobilitätsdaten automatisiert nutzbar machen

So konstatierte beispielsweise Lisa Wenige vom mFUND-Projekt mCLIENT, dass in vielen kommunalen Einrichtungen zwar große Mengen an Daten anfallen und generiert würden, etwa zur Verkehrsinfrastruktur sowie Geodaten, Transportmittel- oder ÖPNV-Fahrplandaten. Allerdings seien davon viele schlecht auffindbar, weil die dafür notwendigen Datenbeschreibungen, die sogenannten Metadaten, oft unzureichend seien. Zudem sei ein Großteil der Daten uneinheitlich formatiert, wodurch deren Nutzung durch andere zusätzlich erschwert oder verhindert würde.

Für diese Befunde hatte das mCLIENT-Projektteam in 62 Open-Data-Portalen sowie auf weiteren Servern insgesamt mehr als 46.000 Datensammlungen analysiert. Um die Datenqualität zu verbessern, arbeitet das mCLIENT-Team an Software und Schnittstellen, mit denen solche Mobilitätsdaten automatisiert um beschreibende (Meta-)Daten angereichert und für weitere Nutzungen aufbereitet werden können (Stichwort: Interoperabilität). Außerdem wollen die Projektmitarbeitenden öffentliche Einrichtungen motivieren, unterstützen und befähigen, die von ihnen generierten und verwalteten Mobilitätsdaten als Open Data freizugeben.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das mFUND-geförderte Projekt BI-F2022. Es will die Stadtverwaltung in Flensburg dabei unterstützen, die dort anfallenden Daten systematisch aufzubereiten und so zu verarbeiten, dass sie als offene Daten zugänglich und vielfältig nutzbar sind. Der größte Anteil der Flensburger Stadtverwaltung mit mehr als vier Millionen Datensätzen sind mobilitätsbezogene Daten, etwa zu Verkehrszählungen, Infrastruktur oder Unfällen. Um diesen „Datenschatz zu heben“, wie Projektleiter Thorben Kelling es bei einem Workshop während der mFUND-Konferenz nannte, würden Programme und Prozesse entwickelt, in die auch Methoden des maschinellen Lernens einfließen.

Mobilithek: Vielseitiges Portal und Datenvermittlungsplattform

Damit sich solche und viele weitere Mobilitätsdatensammlungen und -ströme besser als bisher und zukunftsorientiert mit bundesweiten, zentralen Orte verbinden lassen, entstehen derzeit sowohl die „Mobilithek“ als auch der EU-weite „Mobility Data Space“ (MDS). Die vom BMVI koordinierte Mobilithek soll künftig als neuer „Nationaler Zugangspunkt“ für Mobilitätsdaten dienen (der englische Begriff lautet „National Access Point“ (NAP)). Wie der zuständige Projektleiter beim BMVI, Roland Goetzke, während eines Workshops im Rahmen der mFUND-Konferenz erläuterte, gehen in die Mobilithek sowohl die Datenbestände des Mobilitätsdaten Marktplatz (MDM) als auch die der mCLOUD ein (siehe dazu auch das Emmett-Interview mit Roland Goetzke).

Zugleich – und wichtiger noch – soll die Mobilithek den aktuellen und zukünftigen Erfordernissen an Mobilitätsdaten gerecht werden, indem sie beispielsweise Echtzeitdaten verarbeiten und datenschutzgerechte Umgebungen anbinden kann. Zudem soll sie mittels eines Metadatenverzeichnisses und Suchfunktionen als Portal fungieren, zwischen Datengeber:innen und Datennehmer:innen vermitteln (Brokerfunktion) und bereits bestehende sowie zukünftige Apps mit einem sicherem Datenfluss versorgen.

Über diese „Data-App“-Schnittstellen sollen in der Mobilithek eingehende Daten in den Mobility Data Space gelangen, bei dem es sich um eine EU-weite Architektur für Mobilitätsdaten handelt. Hierfür wird die Technologie des International Data Space (IDS) in die Mobilithek integriert. Generell sei von entscheidender Bedeutung, so Goetzke, dass die Daten erstens gut beschrieben und zweitens in standardisierten Formaten ausgeliefert und aufbereitet würden. Aus diesem Grund begrüße er Vorhaben und Dienste sehr, die sich dem Anreichern und Aufwerten von Mobilitätsdaten widmen, beispielsweise mCLIENT und weitere mFUND-geförderte Projekte.

Schematische Darstellung der Daten, die in die Mobilithek fließen

Abbildung: BMDV

Veranstaltungshinweis: Zum Aufbau, zu den Übergangsphasen und den Funktionen der Mobilithek findet im Rahmen unserer mFUND-Begleitforschung am 25. November 2021 ein Fachaustausch statt, an dem Roland Goetzke als Referent teilnimmt. Hierbei werden auch die rechtlichen Aspekte der Datenbereitstellung erörtert, für Fragen und Diskussion ist ebenfalls Zeit. Informationen zum Ablauf, zur kostenlosen Teilnahme und zur Anmeldung.

mFUND-Bilanz: In Projekten generierte Datenbasis für neue Produkte nutzen

Wie groß der Bedarf beziehungsweise das Verlangen danach ist, generierte Daten für weitere Nutzungen abzulegen und nachhaltig verfügbar zu machen, zeigte sich auch bei einer Befragung von mFUND-Projekten. Diese Evaluation veranlasste das zuständige Referat des BMVI, um sie in seine Bilanz der ersten fünf Jahre mFUND-Förderung einfließen zu lassen. Erste Ergebnisse präsentierte Astrid Ullwer während der mFUND-Konferenz. So gaben die Befragten an, dass sie ihre Projektergebnisse in sehr großem Umfang (23 Prozent) oder großem Umfang (42 Prozent) als Datenbasis für neue Produkte und Dienstleistungen betrachten. Allerdings ist in dieser Antwort nicht bestimmt, welchen Anteil daran Open Data einnimmt.

Gleichwohl gehörte die im Verlauf der Vorhaben erzielte Datenbasis zu den am höchsten gewichteten Motiven für die Verwertung der Projektergebnisse – neben dem „Aufbau und der Erweiterung von Grundwissen“. Ebenfalls als bedeutend betrachteten die Befragten, dass sie nach Abschluss des Förderprojekts in großem oder sehr großem Umfang in der Lage sind, Handlungsempfehlungen und Leitfäden zu erstellen, marktfähige Dienstleistungen und Produkte sowie Verfahren und Prozesse anzubieten beziehungsweise zu entwickeln.

Vom Pilotprojekt zur skalierbaren Lösung und einer Startup-Gründung

Das zeigte sich am Beispiel der Firma FixMyCity, die sich nach Abschluss des mFUND-Förderprojekts FixMyBerlin gründete. Die im Projektverlauf entwickelte App, mit der Bürger:innen Bedarfe für Radverkehrs-Infrastrukturen an die Berliner Verkehrsbehörden melden konnten, fand ein großes Echo in anderen Städten Deutschlands. Aus dieser Nachfrage heraus entwickelten die Gründer:innen eine skalierbare Lösung, mit der kommunalen Verkehrsträger:innen zu Mobilitätsdaten verholfen wird, die sie nicht haben, aber gut gebrauchen können.

Wie es FixMyCity-Gründer und -Geschäftsführer Boris Hekele im mFUND-Konferenz-Workshop ausdrückte, hätten sie im Projekt gelernt, nicht von einer eigenen Lösung für ein vermutetes Probleme auszugehen, sondern vielmehr von den Problemen der Beteiligten her zu denken – in diesem Fall der Kommunen und deren Datenlücken. Waren es bei FixMyBerlin anfangs noch die Bedarfe für Fahrradabstellbügel im öffentlichen Raum, geht es nun für die anderen Städte auch um Eingaben der Bürger:innen zu Radwegen und -abstellflächen oder darum, reale (Rad-)Verkehrsflüsse zu ermitteln und auszuwerten. Mit ihrer Entwicklung von einem mFUND-Projekt zu einem Start-up ist FixMyCity zwar nicht die Regel, aber auch nicht das einzige Projekt.

mFUND-Bilanz: 80 Prozent der Förderungen gingen kleinen und mittelständischen Unternehmen zu

Ein Großteil der bisher knapp 350 mFUND-Förderungen der vergangenen fünf Jahre ging an Konsortien, an denen Start-ups (rund 30 Prozent) beziehungsweise kleine und mittelständische Unternehmen (KMU, rund 80 Prozent) beteiligt sind. Für sie sind Förderprojekte eine wichtige Maßnahme, um innovative Lösungen und Konzepte evaluieren, erproben oder umsetzen zu können. Für viele ist entscheidend, wie es nach dem Projektabschluss weitergehen kann, wie die Projektergebnisse verwertet werden können. Hier zeigte die Evaluation des BMVI, dass für die meisten Projektbeteiligten die größten Hürden darin bestehen, Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, um Investitionskosten und wirtschaftliche Risiken tragen zu können.

Um an dieser Stelle weiterzukommen und am Ende einer Fördermaßnahme nicht allein vor solchen Hürden zu stehen, sei ein bewährter Weg, sich schon während der Projektlaufzeit vielfältig zu vernetzen. Das betonten bei zwei mFUND-Konferenz-Workshops zu Verwertungsmöglichkeiten nahezu alle Referent:innen aus zahlreichen Projekten. Oft seien es einzelne Projektpartner:innen, die den anvisierten Markt kennen oder Erfahrungen mit Vertriebswegen und Geschäftsmodellen haben, lautete ein Rat bei den Panels. Aber auch das Vernetzen mit weiteren mFUND-Projektbeteiligten, auch abseits des eigenen Metiers, könne wertvollen Austausch oder Wege zur angestrebten Verwertung ermöglichen.

Hinweis in eigener Sache: In Kürze starten wir auf Emmett mit dem neuen Emmett-Netzwerk für Mobilitäts-Innovator:innen. Dort können Sie sich direkt mit anderen Projektmitarbeitenden und Expert:innen zu Ihren Themen und Fragen austauschen, Kontakte knüpfen sowie Verwertungsoptionen erörtern und ausloten.

Weitere fünf Jahre mFUND-Förderungen inklusive Mikroprojektfinanzierung

Zeitgleich mit den Ergebnissen der Evaluation verkündete das BMVI bei der mFUND-Konferenz, dass der mFUND in seine zweite Runde geht und bis Ende 2025 innovative, datengetriebene Projekte fördert. Wie bisher gibt es unterschiedliche Förderlinien und -quoten sowie eine Stufenlogik und Sonderaufrufe, um insbesondere kleine Unternehmen und Start-ups anzusprechen. Zudem ist ab 2022 eine Mikroprojektfinanzierung möglich. Die aktuellen Förderrichtlinien (PDF) sind bereits online verfügbar.

Empfohlene Beiträge