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Offene Daten oder exklusive Mobilität?

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Zuletzt bearbeitet am

Lena Rickenberg, Lukas Bergheim, Henrik von Holtum & Jan Paul Herzer

Offene Daten oder exklusive Mobilität?

Folge #15 unseres Podcasts Emmett in Transit thematisiert zivilgesellschaftliches Engagement für eine Mobilität, die allen Menschen zugutekommt.

Unsere Gäste nutzen bei ihrer Arbeit verschiedenste Daten und argumentieren: Auf Daten basierende Angebote könnten den öffentlichen Personenverkehr zugänglicher machen und mehr Menschen für Bus und Bahn begeistern. Es scheitert jedoch allzu oft daran, dass Mobilitätsdaten nicht frei verfügbar oder uneinheitlich formatiert sind.

UNSERE GÄSTE

„Da, wo Daten sind, sollten sie bereitgestellt werden. Darüber muss man auch keine Glaubenskriege führen, mit Bewusstseinsschaffung kommt man da schnell weit.“ Raúl Krauthausen ist Inklusions-Aktivist und Gründer der Sozialheld*innen, studierter Kommunikationswirt und Design Thinker. Er hat die Wheelmap erfunden, eine digitale Karte barrierefreier Plätze, die von User:innen auf der ganzen Welt erstellt wird.

Hinweis

Der Verein Sozialhelden e. V. (Eigenschreibweise inzwischen geändert in: Sozialheld*innen) hat bereits drei mFUND-Projekte initiiert: Elevate, Miki und Elevate Delta.

„Wir müssen für die Bürger:innen arbeiten, die erstens ein Recht auf Mobilität haben und zweitens die ganze Sache finanzieren.“ Jannis R. versucht, mit offenen Mobilitätsdaten und Open-Source-Software öffentliche Verkehrssysteme für alle zugänglicher und attraktiver zu gestalten. Darüber hinaus engagiert er sich im Code-for-Germany-Netzwerk.

DIE FRAGEN

Mit Emmett-Projektleiterin Lena Rickenberg besprechen unsere Gäste, warum sie Open-Data-Aktivisten sind, was offene Daten mit Barrierefreiheit zu tun haben und warum überall von innovativen Leuchtturmprojekten mit KI und Blockchain geträumt wird, obwohl meistens nicht einmal die grundlegende Dateninfrastruktur steht.

ÜBER EMMETT IN TRANSIT

Brauche ich künftig nur eine App, um Mietwagen, Zug und Fahrrad zu nutzen? Wann und wie wird KI autonome Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen lenken? Warum fliegen Drohnen neuerdings Teile des 38.500 Kilometer langen deutschen Schienennetzes ab? Wir befragen Forscher:innen, Unternehmer:innen und Tüftler:innen zu datengetriebener Mobilität und ihren Auswirkungen auf den Menschen.

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Transkript – Emmett in Transit #15: Offene Daten oder exklusive Mobilität?

Lena Rickenberg (iRights.Lab): Hallo! Mit meinen beiden Podcast-Gästen habe ich über ihr Engagement für die Zivilgesellschaft gesprochen. Beide sind ziemlich intensiv beschäftigt mit Mobilitätsdaten, und deswegen sind wir hier auch richtig tief eingestiegen in dieser Folge. Stichwort: Datenverfügbarkeit und Datenstandards. Außerdem können Sie sich freuen auf ein Plädoyer für mehr Open Data und warum es so wichtig ist, dass Daten von öffentlichen Stellen und Projekten auch wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Raúl Krauthausen: Deswegen ist es auch wichtig, dass die Open-Data-Bewegung und auch die Open-Source-Bewegung immer mitredet.

Lena Rickenberg: Außerdem ein Plädoyer für mehr Barrierefreiheit in der Mobilität und warum hier mehr Daten wirklich eine große Hilfe wären.

Jannis R.: Wir müssen hier für die Bürger:innen arbeiten, die das Recht auf Mobilität haben.

Lena Rickenberg: Und ein Plädoyer für eine starke Zivilgesellschaft als Korrektiv für große Tech-Unternehmen und gegen Technologie-Buzzword-Bingo.

Raúl Krauthausen: Wenn die großen Player das nicht hinbekommen, die Daten von sich aus zur Verfügung zu stellen, dann brauchst du Aktivist:innen von außen, die die Innovation auch voranbringen.

Lena Rickenberg: Was ich als erstes von euch wissen möchte, ist, wer ihr seid und was ihr macht. Und ich würde sagen, Jannis, fang du doch gerne einmal an.

Jannis R.: Ich bin Jannis. Ich bin Software-Entwickler hauptsächlich im Bereich Mobilität. Das heißt digitale Mobilität, de facto, wie man Mobilität in Daten abbildet, und ich bin vor sechs Jahren zufälligerweise zu dem Thema gekommen und dann „down the rabbit hole“ gefallen, und jetzt arbeite ich in dem Bereich und engagiere mich in verschiedenen Gruppen und Netzwerken. Im Moment arbeite ich freiberuflich für bbnavi, ein Projekt in Brandenburg, das versucht, Mobilität, öffentliche Mobilität und Verleih unter einen Hut zu bringen. Und privat ist das in verschiedenen Gruppen, unter anderem Code for Germany, ein Open-Sternchen-Netzwerk – Open Data, Open Source, freies Wissen – in Deutschland nach internationalem Vorbild, aber auch in verschiedenen anderen Gruppen mit verschiedenen Themenschwerpunkten.

Lena Rickenberg: Genau. Ich hatte ja angefragt bei der Open Knowledge Foundation und meinte: Code for Germany, da wollen wir einen Mobilitätsexperten haben. Und da kamst direkt du auf. Bist du so etwas wie der Mobilitätsdaten-Experte aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich oder wieso kam man so schnell auf dich?

Jannis R.: Ich bin sicherlich einer der involvierteren Menschen, aber es gibt da auch viele andere. Und es ist dann häufig so, dass wir entweder einen regionalen Schwerpunkt haben oder uns auf einen bestimmten Bereich fokussieren. Ich fokussiere mich vor allem auf die Daten und die technische Seite. Andere fokussieren sich mehr auf die Policy-Seite zum Beispiel, und wiederum andere haben ihren Schwerpunkt auf Barrierefreiheit.

Raúl Krauthausen: Ja, ich bin Raúl Krauthausen. Ich komme aus Berlin. Ich bin Gründer des gemeinnützigen Vereins Sozialheld*innen. Wir machen seit Jahren Arbeit zum Thema Mobilität von Menschen mit Behinderungen. Angefangen mit der Online-Plattform Wheelmap, die Online-Karte für rollstuhlgerechte Orte. Es geht dann weiter über BrokenLifts, wo wir die Echtzeitanzeige von intakten oder nicht mehr intakten Aufzügen des ÖPNVs in Berlin-Brandenburg abbilden. Und wir kämpfen auch, ähnlich wie Jannis, an der Standardisierung von Daten, sodass große Plattformen, wie sie auch immer heißen mögen, diese Daten dann auch bei sich implementieren würden, weil wir fest davon überzeugt sind, dass erst dann relativ klar ist, wie die Dinge aussehen können, wenn auch die großen Player diese umsetzen würden. Das ist aber ein großer Kampf. Und gar nicht so der Kampf, finde ich, gegen Leute, die etwas dagegen haben, sondern erst einmal Bewusstsein schaffen für dieses Thema. Das ist das besondere an der Entwickler:innen-Community, dass sie schnell überzeugbar sind, weil das offensichtlich ist. Da, wo Daten sind, sollte man sie auch bereitstellen. Und das sind dann keine Glaubenskriege, die geführt werden müssen, sondern vor allem erst einmal Bewusstseinsschaffung. Und dann kommt man auch relativ schnell relativ weit.

Lena Rickenberg: Jannis, ich habe dich gerade ganz viel nicken sehen. Ich glaube, du würdest gerne noch darauf antworten, oder?

Jannis R.: Das wäre mir jetzt gar nicht in den Sinn gekommen, das zu erzählen, aber ich stimme da total zu. Sicherlich gibt es da manchmal Menschen, die andere Ziele haben und wie man an die Daten kommen soll und wie sie verbreitet werden sollen. Aber ganz viel geht es darum, mit Halbwissen oder falschem Wissen teilweise auch aufzuräumen und zu sagen, das betrifft letztendlich Menschen, wenn man Mobilitätsdaten nicht veröffentlicht. Und in den allerüberwiegendsten Fällen, wenn man mit Leuten darüber spricht, landet man eigentlich bei einem Punkt, wo sich alle einig sind und wo es Common Sense ist, dass diese Daten öffentlich verfügbar sein sollten für alle und jeden. Das ist zunächst erst einmal nicht so, weil Leute Annahmen haben wie „Dann wird Datenschutz gefährdet!“, also persönliche Daten. Oder irgendjemand soll bevorteilt werden oder „Dann wird Google das absolute Monopol erlangen!“ Und dass es aber so direkt nicht der Fall ist, das stellt sich dann häufig in Diskussionen heraus. Und damit ist es, wie Raúl meinte, nicht gegen Menschen kämpfen im überwiegenden Fall, sondern für die Sache und Leute überzeugen.

Lena Rickenberg: Raúl, mit wem hat ihr denn da gesprochen? Ich glaube, ihr habt schon ziemlich viele Diskussionen rund um das Thema mit diversen Unternehmen, auch wahrscheinlich mit Ministerien und anderen Entscheidungsträger:innen gehabt, oder?

Raúl Krauthausen: Ja, wir reden da auch noch nach wie vor auf vielen Ebenen mit den Entscheider:innen und Unternehmen und Ministerien. Ganz aktuell diskutieren wir mit Herstellern von Ladesäulen von Elektroautos, wie wir diese Dinge barrierefrei bekommen, weil, die werden ja jetzt zu Tausenden in Deutschland gebaut, ohne einmal die Perspektive von rollstuhlfahrenden Autofahrer:innen mit zu bedenken. Und wir bauen ja quasi in Beton gegossene Barrieren, die wir hätten von Anfang an vermeiden können mit dem Wissen, was existiert. Aber weil Menschen mit Behinderungen einfach in solchen Prozessen viel zu selten von Anfang an beteiligt werden, sondern immer erst am Ende, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und dann das Entsetzen groß ist, wenn behinderte Menschen sich beschweren. Das kann man vermeiden, indem man von Anfang an ihre Perspektive miteinbezieht. Und es gibt glücklicherweise einige Hersteller:innen von Elektroladesäulen, die dieses Thema auf dem Schirm haben – leider nicht alle. Leider ist es nicht reguliert, weswegen wir auch mit Ministerien reden müssen. Und es sind, wie Jannis sagt, selten die Bedenken von wegen Datenschutz oder so, sondern es ist dann einfach echt total oft Vergessen-worden-Sein. Ja, dass Menschen mit Behinderung einfach nicht mitgedacht wurden und am Ende sich alle wundern. Ich wollte nur ein Anekdötchen erzählen. Es gibt ja diesen Public-Transport-Standard von Google – GTFS, glaube ich –, der zumindest damals mitentwickelt wurde. Ich bin kein Entwickler und deswegen muss ich gleich einmal fragend zu Jannis gucken, aber auf jeden Fall gibt es diesen Standard.

Lena Rickenberg: GTFS steht für „General Transit Feed Specification“ und definiert ein digitales Austauschformat für Fahrpläne des öffentlichen Personenverkehrs und dazugehörige, geografische Informationen wie zum Beispiel die Standorte von Haltestellen.

Jannis R.: Und dieser Standard hat dazu geführt, dass natürlich die großen Anbieter:innen von Verkehrsmitteln weltweit alle Bock hatten, bei Google gelistet zu werden. Das heißt, die großen Player haben auch eine Innovationsmacht, für Standards zu sorgen, weil sonst landest du nicht auf Google. Die sind nicht nur böse, sondern sie können viel besser auch Standards vorgeben, vor allem wenn sie offen sind wie der GTFS-Standard. Das kann keine UN, keine Weltorganisation so gut. Und wenn du dann mit den Entwickler:innen von diesem Standard redest, oft kommen sie auch von Google, und denen sagst, okay, ihr könnt jetzt in Echtzeit anzeigen, wo die U-Bahn ist, aber ihr könnt nicht in Echtzeit anzeigen, wo der Aufzug ist. Warum eigentlich nicht? Weil beides sind Verkehrsmittel. Und dann sagen die nicht, ja, geh weg, sondern dann sagen die, ach krass, da hast du recht. Da haben wir noch nicht drüber nachgedacht. Und jetzt wird dieser Standard eingebaut in der Hoffnung, dass dann Anbieter:innen von Verkehrsmitteln, die Aufzüge haben, diese Informationen dann auch in diesen Standard eingeben. Aber gäbe es diese Frage nicht, hier der Standard kann das abbilden, dann würden sie das auch nicht machen.

Lena Rickenberg: Genau. Das ist das große Thema der Daten-Standardisierung, das euch ja auch sehr wichtig ist. Jannis, du hattest ja auch zum Thema Datenverfügbarkeit viele Erfahrungen gesammelt, weil du selber darauf pochst, dass Daten nicht nur zur Verfügung gestellt werden, sondern auch so zur Verfügung gestellt werden, dass sie automatisiert ausgelesen werden können. Und du hast ja auch schon einen Link zu GitHub geschickt. Das heißt, das werden wir auch in den Shownotes dann verlinken. Erzähle uns mehr darüber.

Jannis R.: Ja, genau. Bei Mobilitätsdaten im Besonderen, aber natürlich Infrastrukturdaten allgemein, kommt es auf drei Dinge an. Das ist die Auffindbarkeit. Weiß man, findet man überhaupt, dass Verkehrsverbund X oder Rolleranbieter Y Daten zur Verfügung stellt, wo sie sind, ob sie funktionieren, ob sie barrierefrei sind und so weiter. Und findet man das auch automatisiert, wenn man zum Beispiel Google ist oder irgendeine andere kleinere Firma, die aber auch alle Daten integrieren möchte, dann kann man nicht jede einzelne Stadt in Gesamteuropa googeln und schauen, gibt es dort Daten, sondern das muss auf eine maschinenlesbare Art und Weise funktionieren. Die zweite Sache ist die Lizenz. Gibt es rechtliche Hürden? Und eine Lizenz räumt genau diese rechtlichen Hürden aus dem Weg. Sie erlaubt explizit die Verwertung zu bestimmten Bedingungen. Und was meiner Meinung nach da wichtig ist, ist, dass die Bedingungen nicht einschränken. Es sollte kommerzielle Nutzung und nicht kommerzielle Nutzung erlaubt sein zu jeglichen Zwecken, ohne sich vorher anmelden oder fragen zu müssen, weil das in der Praxis einfach nicht funktioniert. Und das Dritte ist Abrufbereitschaft, dass die Daten so verfügbar sind, dass man sie immer wieder automatisiert abrufen kann. Weil, wann immer da manuelle Schritte involviert sind, passieren Fehler und da werden die Daten über Baustellen zum Beispiel nicht so schnell in den Applikationen landen und damit bei den Menschen, die sie benutzen.

Raúl Krauthausen: Vielleicht kann ich da auch zu ergänzen. Das erklärt auch, warum zum Beispiel bei Konzernen wie Google so viele Menschen arbeiten. Diese ganzen Daten einzusammeln einmal und auch immer wieder neu irgendwie nachzulegen, nachzujustieren, das ist ja Arbeit. Software, habe ich gelernt. ist wie ein Garten. Sie ist nie fertig und man muss ständig irgendwie Unkraut jäten, Updates machen. Das erklärt, warum da so viele Leute arbeiten und warum das so komplex ist und warum wir auch so große Player brauchen. Wir brauchen aber auch die offene Open-Data-Bewegung. Weil: Wir wollen nicht, das Google dann am Ende Geld dafür nimmt. Die haben zwar viel Arbeit damit, mit der Standardisierung und dem Großmachen. Aber wenn sie am Ende das dann wieder nur exklusiv für ihre Kund:innen anbieten, dann haben wir wirklich ein Problem, weil viele ÖPNVs weltweit steuerfinanziert sind. Und damit auch die Verfügbarkeitsinformationen von diesen Dingen, die steuerfinanziert sind, natürlich auch der Bevölkerung irgendwie kostenlos zurückgegeben werden sollten und nicht noch einmal abrechnen. Und deswegen ist es auch wichtig, dass die Open-Data-Bewegung und auch die Open-Source-Bewegung da immer mitredet, dass wir nicht anfangen, Daten für große Giga-Konzerne kostenlos aufzubereiten, die dann am Ende Geld dafür nehmen. Ich würde gerne noch zu Jannis Dreiklang eine Idee hinzufügen, dass die Informationen selbst wiederum barrierefrei sein müssten. Das Internet ist ja in vielerlei Hinsicht Fluch und Segen zugleich. Wir können Zugänge zu Technologien für blinde und gehörlose Menschen ermöglichen. Wir können sie aber auch genauso schnell wieder ausschließen. Bestes Beispiel ist Mytaxi oder Free Now, wie das ja jetzt heißt. Zum ersten Mal können gehörlose Menschen ein Taxi buchen per Telefon, aber ich kann immer noch nicht ein rollstuhlgerechtes Taxi buchen. Da muss man natürlich auch immer wieder neu gucken, sind die Informationen auch wirklich sinnvoll für Betroffene.

Lena Rickenberg: Ja, apropos: Ihr habt euch ja selber mit den Sozialheld:innen Projekte und Angebote geschaffen, die ihr in der Welt sozusagen vermisst, wo ihr Probleme ja anpackt, wo eure Mobilität eingeschränkt ist. Wie ist das? Habt ihr irgendwann gemerkt, ihr werdet da nicht unterstützt von Unternehmen, vom Staat, dass ihr solche Angebote braucht, und dass ihr sagt, okay, dann machen wir das als zivilgesellschaftlicher Akteur einfach selber?

Raúl Krauthausen: Also ich habe schon das Gefühl, wir werden unterstützt. Zumindest werden wir eingeladen und hereingelassen, wenn wir Fragen haben. Aber von sich aus würden sie wahrscheinlich das Thema Verfügbarkeit von Aufzugsinformationen zum Beispiel nicht unbedingt teilen wollen, weil Aufzüge, Aufzugsmarkt ist ein Milliardenmarkt. Und wenn die Konkurrenz weiß, welcher Aufzug wo ist und wie oft die Aufzüge kaputtgehen, dann ist es natürlich ein Marktvor- oder -nachteil. Aber die Aufzüge sind alle im Internet. Das wissen halt die wenigsten. Die Aufzüge melden inzwischen vollautomatisch, dass sie defekt sind, und sie starten sich teilweise automatisch neu, wenn sie eine Störung haben. Und sie können sogar sagen, was kaputt ist. Ist es die Neonröhre, ist es die Tür oder ist es irgendein anderes Problem? Und wir haben uns gefragt, warum kann man diese Informationen nicht auch der Bevölkerung zur Verfügung stellen, die diese Aufzüge ja öfter nutzen als die Techniker:innen? Diese Metainformationen, da wo ich bin, will ich wissen, ob der Aufzug geht, unabhängig davon, was für ein Hersteller das ist, dann wieder aufzubereiten, ist genau die Herausforderung. Und am leichtesten geht das mit ÖPNVs. Weil ÖPNVs sind große Kund:innen von Aufzügen. Die Fragestellung ist relativ klar: Funktioniert der Aufzug am Berliner Alexanderplatz? Mit dieser Fragestellung auf die Anbieter zuzugehen, führt dann dazu, dass sie sagen: Ja stimmt, da kommen wir mit unseren Perspektiven nicht weiter. Es reicht nicht, nur U-Bahn-Aufzüge zu zeigen. Es reicht nicht, nur Schindler-Aufzüge zu zeigen, sondern wir müssen die Frage Alexanderplatz beantworten. Ein Projekt, was wir auch gerade entwickeln (Elevate Data, ist auch, könnte ich theoretisch den Aufzug in meinem Haus, in meinem Büro, bei meinen Freunden, wo ich nicht weiß, welcher Hersteller das ist, wo mir das auch scheißegal ist, könnte ich an diese Informationen kommen und wenn ja, wie. Und da gibt es viele Ideen. Entweder wir fragen die Hersteller nach Daten oder aber wir bauen selber Sensoren und kleben die in den Aufzug hinein. Und dann hast du auf einmal Gespräche mit Hausmeistern, Immobilienbesitzer:innen und Leuten, die die Aufzüge reparieren und bauen. Das wird auch spannend und dann geht es immer um die Frage der Verantwortung. Was machen wir, wenn der Aufzug nicht geht? Was machen wir, wenn Informationen falsch sind und was machen wir, wenn der Aufzug kaputtgeht, weil ihr den Sensor installiert habt – in Klammern: was nie passiert. Und das ist so eine typisch deutsche Frage. Und ich frage mich wirklich, warum wir immer Angst haben, etwas falsch zu machen, und dadurch gar nichts machen, als wenn wir einmal ins Risiko gehen, auszuprobieren, hey, würde das den Leuten wirklich helfen? Wir testen das in den zwanzig Häusern, warum nicht?

Lena Rickenberg: Jannis, du nickst ganz viel. Ich merke du willst unbedingt dazu sprechen.

Jannis R.: Es sind sich alle einig, dass wenn ich von A nach B fahren möchte mit einem steuerfinanzierten Fahrzeug, ich wissen möchte, ob das fährt oder nicht oder ob das so zu spät ist, dass es für mich nicht lohnt, es zu nehmen. Und dass das dann natürlich auch nicht nur auf der Website vom VBB oder wo auch immer auftauchen soll, das Äquivalent zu Thyssen-Krupp.com, sondern auch in Google Maps und in meiner anderen Verkehrs-App und in Transit und wie sie alle heißen. Und trotzdem ist das Argument, mit diesen Verspätungs- und Ausfalldaten könnte man erstens überprüfen, ob die verschiedenen Verkehrsunternehmen denn wirklich den von staatlicher Seite ausgeschriebenen Auftrag wahrnehmen und die Mobilität zur Verfügung stellen, für den sie Milliardenbeträge bekommen. Da würde ich wiederum entgegnen, ja natürlich wollen wir das überprüfen! Weil dafür bezahlen wir. Und die andere Sache: Es gibt dort konkurrierende Unternehmen und es wird dann offensichtlich, wo Unternehmen sozusagen Schwierigkeiten haben, oder sie können sich sozusagen gegenseitig beobachten bei dem, was sie tun. Und auch da würde ich wieder sagen, das ist es wert. Also wir müssen hier letztendlich für die Bürger:innen arbeiten, die erstens das Recht auf Mobilität haben, zweitens diese Sache finanzieren und nicht in erster Linie denken, oh, was wäre, wenn die Daten falsch sind oder was wäre, wenn das eine Unternehmen dann schauen kann, wie das andere arbeitet.

Raúl Krauthausen: Und das gilt auch für Aufzüge. Es macht doch total Sinn für einen Anbieter wie die Deutsche Bahn oder die BVG in Berlin, einmal zu gucken, welche Aufzüge gehen ständig kaputt, und ist es zufälligerweise immer der gleiche Hersteller? Kann es vielleicht sein, dass wir sie billig eingekauft haben, sie aber in der Wartung teuer sind? Wäre es nicht sinnvoll, teuer einzukaufen, weil sie in der Wartung billiger sind? Kann ich Dinge vorhersehen? Man kann vorhersehen, wann Aufzüge kaputt gehen werden. Neunzig Prozent der Störungen finden in der Tür statt. Das weiß man inzwischen alles. Dann nimmst du halt einen Aufzug oder einen Hersteller, der Erfahrungen mit Türen hat.

Lena Rickenberg: Daten erzählen immer eine Geschichte, und wer Daten veröffentlicht, der muss sich auch in die Karten schauen lassen. Und ich glaube, davor schrecken dann doch einige zurück. Jannis, bei euch ist es ja ähnlich. Euch sind Probleme gekommen in eurer alltäglichen Mobilität und ihr habt gesagt, okay, irgendwie gibt es da keine am Markt verfügbare Lösung, also bauen wir das irgendwie selber. Was waren da so Projekte, die ihr ins Leben gerufen habt und warum?

Jannis R.: Verschiedene. Wo fange ich jetzt an? Ein Beispiel, was ich gerne nennen würde: Es gibt einen Datenjournalisten, der heißt Michael Kreil. Und der hat vor knapp zehn Jahren die Fahrplandaten der Deutschen Bahn von einer CD – oder DVD oder so etwas – genommen und sie einfach einmal ins Internet gestellt. Und natürlich war das rechtlich nicht erlaubt. Und der Grund, warum wir jetzt in Google Maps und in verschiedenen anderen Apps die Daten haben, wann denn ICEs durch die Gegend fahren und Regionalzüge, ist, weil Michael Kreil damals diese Daten einfach öffentlich gestellt und damit diese Diskussion losgetreten hat in Deutschland: Sollten diese Daten öffentlich verfügbar sein? Und damals war der Status Quo seitens der Deutschen Bahn – und die Politik hat sich da weitestgehend rausgehalten: Ja, das sind private Daten und das ist sozusagen ein Geschäftsgeheimnis der Deutschen Bahn. Und Michael Kreil hat argumentiert: Nein, das ist öffentliche Infrastruktur, nicht nur öffentlich finanziert, sondern die ist so integriert in unser öffentliches Leben, es muss offen verfügbar sein. Und es kann nicht sein, dass es dazu keine Daten gibt, weil damit natürlich andere Unternehmen die Innovationen schaffen wollen oder die Zivilgesellschaft keine Chance haben, ein Angebot zu erstellen. Das ist so eins der Ur-Beispiele für DatenAktivismus in diesem öffentlichen Infrastrukturbereich.

Lena Rickenberg: Kurze Zwischenfrage. Würdest du dich auch als Datenaktivist bezeichnen oder geht das zu weit?

Jannis R.: Ja, auch. Es hat schon auch etwas Aktivistisches, Dinge erst einmal einfach veröffentlichen und dann entsteht eine Diskussion. Und in der Diskussion kommt man idealerweise zu der Erkenntnis, dass es für die Gesellschaft relevant ist und das auf rechtlich sicheren Füssen passieren sollte.

Raúl Krauthausen: Da kann ich eine Anekdote zu ergänzen. Wir haben das Gleiche gemacht mit dem Thema Aufzugsdaten. Und haben dann mit BrokenLifts auch ähnlich wie Michael Kreil die Daten gescrapt und sie alphabetisch sortiert von A wie Alexanderplatz bis Z wie Zoologischer Garten. Und wussten nicht – oder wussten schon, aber haben es in Kauf genommen –, dass es eine Grauzone ist, was wir da machen: Daten kopieren. Und irgendwann wurden wir ausgesperrt oder unser Bot wurde ausgesperrt von der Deutschen Bahn. Und wir hatten aber witzigerweise den Open-Data-Award der Stadt Berlin gewonnen, der übergeben wurde vom Senator für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Und ja, dann war auch so die Politik in so einem Dilemma. Und das hat dann dazu geführt, dass wir in Gespräche kamen mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, die dann gesagt haben, ja, das macht wirklich Sinn, dass man die Daten zusammenführt, und kamen dann in Gespräche mit der Deutschen Bahn und der S-Bahn und so weiter. Jetzt kann man mit diesen Daten spielen und arbeiten und sie implementieren.

Lena Rickenberg: Jannis, wie sieht es bei euch aus? Habt ihr auch ähnliche datenaktivistische, grauzonige Sachen schon gemacht oder versucht ihr euch da eher so mit den Daten zu behelfen, die ihr schon aus Open-Data-Portalen habt?

Jannis R.: Nein, wir versuchen, uns nicht nur mit denen zu behelfen. Die sind natürlich gut und eine Verbesserung und die ermöglichen vor allem diese rechtliche Sicherheit. Aber prinzipiell greifen viele Menschen aus diesem Dunstkreis, den ich beschrieben habe, auf viele Daten erst einmal zu, um zu zeigen, das müsste sein oder das wäre möglich, wenn sie offen wären. Zum Beispiel mache ich das konkret mit Echtzeitdaten, diesen Verspätungs- und Ausfalldaten. Und ich bin der Meinung, die sollten offen verfügbar sein. Das ist in anderen Ländern längst üblich. Es ist in anderen Ländern längst geltendes Recht. Meiner Meinung gehört das zu der Dienstleistung ÖPNV, die ich als Steuerzahler finanziere und die wir sozusagen gesellschaftlich als Infrastruktur akzeptieren. Deswegen nehme ich die und stelle die zur Verfügung – komplett offen – und schreibe dazu: Die hat jetzt keine Lizenz oder so etwas, aber hier sind sie erst einmal, baut Zeugs damit. Und wenn dann Zeugs damit gebaut wird, dann kann mal argumentieren gegenüber den Verkehrsverbünden, gegenüber der Politik, seht mal, diese Daten werden gebraucht. Die werden benutzt. Die sollten frei lizensiert zur Verfügung stehen. Das Gleiche gilt übrigens auch für viel langweiligere Daten: Daten, wann irgendwo ein Bus fährt, die sogenannten Plandaten. Die werden noch nicht flächendeckend veröffentlicht, obwohl seit 2019 oder seit 2020 – ich bin mir gerade nicht sicher – es eine EU-Verordnung gibt, die vorschreibt, die müssen verfügbar sein. Und es passiert trotzdem nicht in allen Regionen Deutschlands im Moment. Da gibt es wiederum auch ein Projekt – Rettedeinennahverkehr.de – von Menschen aus diesem Umfeld, was dafür Lobbyarbeit betreibt, dass das endlich einmal passiert.

Lena Rickenberg: Du bist ja jetzt auch schon eine Weile in diesem Umfeld aktiv und versuchst hier und da, an mehr Daten heranzukommen, Awareness zu schaffen. Wo würdest du sagen, hast du persönlich schon Erfolge gefeiert und wo würdest du sagen, boa, da beißt du dir die Zähne aus, da geht irgendwie gar nichts voran?

Jannis R.: Es gibt einen Metaerfolg, nämlich Menschen, die in meiner Position sind, nicht nur ich, sondern auch einige andere, werden jetzt mehr ernstgenommen von den Verkehrsverbünden. Zum Beispiel der VBB in Berlin redet jetzt mit uns – in Anführungsstrichen. Aber auf der Datenebene selbst, natürlich tut sich da was und das ist schön, aber da passiert lange nicht so viel, wie wir fordern. Und da passiert auch lange nicht so viel wie in anderen Ländern bei so ähnlich viel Geld auf der Hand. Insofern passieren da Dinge, aber da würde ich nicht sagen, da gab es den einen großen Win.

Lena Rickenberg: Deswegen müsst ihr ja auch noch weitermachen.

Jannis R.: Ja, auf jeden Fall. Das ist wahrscheinlich ein dauerhaft laufendes, ja …

Lena Rickenberg: Gerangel.

Jannis R.: … aktivistisches und Lobbyprojekt, so ungefähr. Letztendlich wird das immer so sein, dass es immer neue Mobilitätsformen gibt oder immer weitere Teilgruppen der Gesellschaft, die bisher ignoriert wurden, die ihre Stimme erheben und sagen, das kann aber nicht sein. Ja, ich sehe das schon als so eine Art gesellschaftliches Korrektiv, für das, was die Politik und die Verwaltung und die Verkehrsverbände und so weiter nicht hinbekommen.

Lena Rickenberg: Raúl, dass ihr drei mFUND-Projekte erfolgreich eingereicht, umgesetzt habt als zivilgesellschaftlicher Akteur, ist schon einmal ein Erfolg per se. Würdest du sagen, es gibt insgesamt genug solche Projekte, oder ist es eine Sache, die richtig schwierig ist und wo ihr eher Vorreiter und Leuchtturm seid?

Raúl Krauthausen: Ich finde die Frage super. Ich bin dankbar, dass du das fragst, weil, da kann ich einmal so richtig schön vom Leder ziehen. Ich habe große Bauchschmerzen und große Fragezeichen bei der momentanen Förderung und Förderfinanzierung von solchen innovativen und auch wichtigen Projekten wie Jannis und vielleicht auch wir sie machen. Warum? Erstens, weil neue Innovationen gefördert werden. Das heißt, wir waren jetzt vielleicht die ersten, die über die Echtzeitdatensammelei von Aufzugsinformationen gesprochen haben und können jetzt vielleicht auch noch maximal zwei Jahre damit Fördergelder kassieren, aber irgendwann ist es keine Innovation mehr. Und was wir brauchen, ist auch eine Infrastrukturförderung von solchen Initiativen. Auch Code for Germany muss irgendwann Geld bekommen. Weil das kann nicht immer alles auf Ehrenamt basieren. Wenn die großen Player das nicht hinbekommen, die Daten von sich aus zur Verfügung zu stellen, dann brauchst du Aktivistinnen von außen, die die Innovation auch voranbringen. Aber, wenn dann die Player:innen nicht bereit sind, diese Infrastruktur auch zu finanzieren, müssen wir sie woanders finanziert bekommen, zum Beispiel durch die öffentliche Hand. Und da muss man wirklich auch noch einmal genauer hinschauen, was machen wir alles kaputt nach drei Jahren Förderauslauf. So viele Leuchtturmprojekte wie in den letzten Jahrzehnten geschaffen wurden, allein zum Thema Barrierefreiheit, müsste Deutschland schon längst erstrahlen vor Licht. Aber die Leuchtturmprojekte sterben nach drei bis fünf Jahren. Das ist wirklich wichtig, das auch zu thematisieren und auch in diesem Rahmen von diesem Podcast, der auch vom mFUND profitiert, auch immer wieder zurückzuspielen: Hört auf, nur Innovation zu fördern, sondern denkt wirklich auch über Infrastruktur nach. Wie kann ein Projekt wie Wheelmap nachhaltig bleiben? Und ist es immer die Verantwortung der Zivilgesellschaft, Probleme zu lösen, die die Privatwirtschaft zu verantworten hat? Wir müssten nicht über Aufzugsinformationen streiten, wenn sie von vornherein zur Verfügung stehen würden. Tun sie nicht, deswegen braucht es Leute wie uns. Ein zweiter Aspekt – und das finde ich auch wichtig: Vor kurzem – oder eigentlich immer noch – reden Bürgermeister:innen und Ministerpräsident:innen gerne von Smart Citys und Big-Data-Projekten und so weiter.

Lena Rickenberg: KI. KI ist auch immer ganz wichtig.

Raúl Krauthausen: KI, genau, ja, und Blockchain. Und wenn man dann genau hinschaut, dann wissen sie selber gar nicht genau, was sie meinen. Vergeben Steuergelder an Projekte, die am Ende geschlossene Daten produzieren. Und das ist ein Problem. Das heißt, die kaufen oft Dinge, von denen sie keine Ahnung haben, und wundern sich am Ende, dass es teuer wird. Und da braucht es auch die Zivilgesellschaft. Nur, weil es irgendwie digital ist, heißt das nicht, dass es gut ist.

Lena Rickenberg: Jannis, gerne direkt dazu.

Jannis R.: Also ich finde es toll. Ganz viele Punkte, die ich mir aufgeschrieben habe, streiche ich direkt von meiner Liste. Ich würde gerne noch einmal kurz zu der Förderlogik kommen. Wir reden irgendwie über Flugtaxis und – ich weiß auch nicht – Mobility-as-a-Service, das neue Hypewort. Und alle schreiben sich das auf die Fahnen und niemand definiert es genau – oder sehr wenige in Deutschland. Und es scheitert an ganz grundlegenden, vermeintlich banalen, aber im Alltag dann doch nicht so banalen Dingen. Und so funktioniert es nicht. Ich mache nicht Mobility-as-a-Service und habe irgendwie tolle Digital-Streichholztürme gebaut, ganz hoch, wenn das Fundament nicht steht. Das kann nicht sein, dass völlig woanders geträumt wird und der Verwaltung und den Kommunen und der Politik Dinge verkauft werden, die in der Praxis so einfach nicht funktionieren. Weil die Daten fehlen, weil die rechtliche Grundlage fehlt, weil die Förderung fehlt. Das ist zum einen Kompetenz und zum anderen Angst, ganz klar. Die Verwaltung und die öffentliche Hand im Allgemeinen ist super angstgetrieben. Deswegen hält man sich an die großen Anbieter, weil die sind etabliert. Und dass die großen Anbieter aber auch irgendeinen Mist verkaufen, darüber wird nicht so richtig nachgedacht.

Raúl Krauthausen: Beim Design Thinking gibt es einen Leitspruch. Und der Leitspruch heißt: Scheitere früh und oft. Weil dann ist nämlich der Lerneffekt günstiger, als wenn du teuer investiert hast, teuer gekauft hast, zehn Jahre programmiert und gebaut hast, und am Ende feststellst, fuck, das braucht ja keiner. Dann kommt natürlich auch die Frage, wer erfindet was. Und da finde ich ein schönes Beispiel immer wieder, wir alle kennen doch noch car2go in den ersten Jahren. Diese Smarts, die in der Stadt standen, die man so mieten konnte. Das war eine Revolution auf eine Art, aber es waren alles Zweisitzer. Das heißt, für Familien mit drei Personen unbrauchbar. Das wären aber große Zielgruppen gewesen, die einmal das Auto für den Einkauf gebraucht hätten. Solche Smarts in der Stadt gab es nur wahrscheinlich, weil ausschließlich Männer, die keine Care-Arbeit leisten, diese Dinger geplant und gebaut und in die Stadt gebracht haben. Bis dann irgendwann Drive Now auf die Idee kam, okay, wir können auch Vier- und Fünfsitzer anbieten, und dann wurde es sowieso zusammengelegt. Und jetzt gibt es mehr Vielfalt in den Fahrzeugen, aber Menschen mit Behinderung sind immer noch nicht mitgedacht.

Lena Rickenberg: Welche Zukunft würdest du dir denn wünschen für die Mobilität?

Raúl Krauthausen: Ich würde sagen, alles für alle. Wir könnten zum Beispiel mal die Frage stellen, wie schaffen wir es, ÖPNVs kostenlos hinzubekommen. Weil, die Zukunft der Mobilität bedeutet für mich, immer Alternativen auch anzubieten zum Auto, und zwar qualitativ gleichwertig.

Jannis R.: Ich würde sagen, sie muss gerecht sein. Sie muss transparent sein. Es geht da um Milliarden von Steuergeld. Und sie muss bedürfnisorientiert sein, und das ist ein ganz wesentlicher Teil der Klimawende. Wenn wir irgendwie nicht den Planeten gegen die Wand fahren wollen, dann müssen wir etwas an der Mobilität ändern.

Lena Rickenberg: So, ich habe mich besonders über diese Folge und das Gespräch mit Jannis und Raúl gefreut, weil im Mobilität-, Innovations- und Technologiediskurs zivilgesellschaftliche Akteure doch eher selten auftauchen und ich gerade diese Perspektive sehr wichtig und auch sehr erfrischend finde. Wenn auch Sie sich für Open-Data-Schnittstellen und -Standards interessieren, dann lege ich ihnen ans Herz, einmal auf unserer Webseite Emmett.io vorbeizuschauen. Und wer noch tiefer einsteigen will, dem sei gesagt, der GitHub-Account von Jannis ist wirklich sehr interessant. Auch den haben wir hier in den Emmett-Shownotes dieser Folge verlinkt. Bis zum nächsten Mal bei Emmett in Transit!


Emmett in Transit ist der Podcast der mFUND-Begleitforschung des unabhängigen Think Tanks iRights.Lab und wird gefördert vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Redaktionelle Umsetzung und Produktion: iRights.Lab., Henrik von Holtum und Jan Paul Herzer. Mehr Infos auf Emmett.io und iRights-Lab.de. Die Episoden stehen unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung.

Sprecher*innen

Raúl Krauthausen

Foto: Anna Spindelndreier

Raúl Krauthausen ist Gründer der Sozialheld*innen. In seinen Büchern und seinen Medienauftritten setzt er sich für mehr Teilhabe und Barrierefreiheit ein. Der Inklusionsaktivist wurde 2013 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Raúl Krauthausen

Gründer der Sozialheld*innen, Inklusionsaktivist (Foto: Anna Spindelndreier)
Porträt eines männlichen Gesichts vor einem Küchenregal

Jannis versucht, mit offenen Mobilitätsdaten und Open-Source-Software öffentliche Verkehrssysteme für alle zugänglicher und attraktiver zu machen. Darüber hinaus engagiert er sich bei Code for Germany für eine starke Zivilgesellschaft, nachhaltigen digitalen Wandel und politische Transparenz.

Jannis R.

Open-Data-Aktivist, u.a. bbnavi und Code for Germany
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