Erhöhte Verkehrssicherheit, autonomes Fahren – so könnte 5G die Mobilität verändern

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Eike Kühl

Erhöhte Verkehrssicherheit, autonomes Fahren – so könnte 5G die Mobilität verändern

Kaum eine Technologie birgt so viel Potenzial für die vernetzte Mobilität wie der neue Mobilfunkstandard 5G. Auf zahlreichen Testfeldern erproben Forscher:innen schon jetzt die Anwendungen von morgen. Für ihren Einsatz im Alltag gilt es, 5G flächendeckend verfügbar zu machen.

Die Autos der Zukunft gleiten moderat über die Straße und halten stets den idealen Sicherheitsabstand zu anderen Fahrzeugen. Sie bremsen automatisch an Kreuzungen und Ampeln und passieren sie im besten Fall, ohne anhalten zu müssen. Nähert sich ein Rettungswagen, warnt das Auto die Fahrer:innen und macht Platz für eine Rettungsgasse. Am Ziel angekommen, findet das Fahrzeug eigenständig den Weg zu einem freien Parkplatz.

Mehr Sicherheit und weniger Stau, mehr Komfort und weniger Energieverbrauch: Das verspricht der neue Mobilfunkstandard 5G für die Mobilität. In ganz Deutschland testen Forschungsinstitute, Mobilfunkbetreiber und Autohersteller im engen Austausch miteinander die Anwendungen von morgen, um den Ausbau zu unterstützen. Aber was ist das eigentlich, 5G?

Vereinfacht gesagt ist 5G – als Abkürzung für die „fünfte Generation“ des Mobilfunks – nichts anderes als die neueste Technologie, um Daten per Funk zu übertragen. Als Nachfolgerin von LTE ermöglicht sie Geschwindigkeiten, die um ein Vielfaches höher sind. Ist bei LTE bei etwa 1,2 Gigabit pro Sekunde die Grenze erreicht, könnte 5G theoretisch bis zu 10 Gigabit pro Sekunde ermöglichen.

5G ermöglicht Mobilitätsanwendungen in Echtzeit

„Die Geschwindigkeit von 5G ist ein wichtiger Aspekt, um große Datenmengen zu verarbeiten“, sagt Joachim Heinrich vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen, der derzeit auch Technischer Koordinator des 5G-Reallabors Braunschweig/Wolfsburg ist. „Ebenso wichtig aber ist die geringere Latenz, also Verzögerung, beim Austausch dieser Daten.“ Erst sie ermögliche, dass Informationen tatsächlich in Echtzeit geteilt werden können.

Die große Bandbreite und die geringe Latenz machen 5G für die Mobilität so interessant. Pkw und Lkw, aber auch Züge, können mittels 5G ständig in Kontakt mit anderen Fahrzeugen, mit Verkehrssystemen oder mit Steuerungszentralen stehen und in Sekundenbruchteilen auf Gefahren oder sich verändernde Gegebenheiten reagieren. Mit LTE wäre das nicht so einfach möglich.

Weitere Vorteile: 5G-Übertragungen verbrauchen weniger Strom und es können mehr Geräte in einer Funkzelle gleichzeitig versorgt werden. Dazu kommt, ebenfalls wichtig, dass sich für einzelne Anwendungen gezielt Ressourcen über das Netz bereitstellen lassen. Dieses als „Network Slicing“ bezeichnete Verfahren garantiert, dass stets eine gewisse Bandbreite für bestimmte Dienste verfügbar ist.

Verkehrssicherheit und Umweltschutz: Was kann 5G leisten?
Praedestinierte Einsatzgebiete von 5 G in der Mobilitaet

Grafik: Emmett | CC-BY 4.0

Joachim Heinrich sieht den mittelfristigen Einsatz von 5G vor allem in der Verkehrssicherheit: Der Mobilfunk könnte erstens die bestehenden Sensoren in Fahrzeugen ergänzen, etwa indem Fahrzeuge oder auch andere Verkehrsteilnehmer:innen per Funk miteinander kommunizieren (die sogenannte Vehicle2Vehicle-Kommunikation, kurz: V2V). Dies könnte die „Sichtweite“ der Fahrer:innen mit elektronischen Mitteln verlängern. Stellt das System fest, dass sich die Wege kreuzen, gäbe es eine Warnung aus oder passte die Geschwindigkeit an. Eine weitere Anwendung wäre das sogenannte „Platooning“: Pkw oder Lkw könnten in geringem Abstand zueinander als Kolonne fahren, was die Fahrer:innen entlastet und aufgrund des ausgenutzten Windschattens auch Sprit spart.

Zweitens könnten Fahrzeuge dank 5G mit Ampeln, Parkleitsystemen und Steuerungszentralen in Verbindung stehen (Vehicle2x- oder Cellular-V2X-Kommunikation). Hier gilt es, den Verkehrsfluss mittels Grünphasen so zu optimieren, dass sich keine Staus bilden. In Parkhäusern könnten Fahrzeuge autonom einparken, wie ein Projekt der Deutschen Telekom und BMW aktuell in München testet. Zudem ließen sich Krankenwagen und Feuerwehrautos priorisieren.

Ein solches System erprobt das Fraunhofer IIS gemeinsam mit dem Institut für Verkehrstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) derzeit im 5G-Reallabor Braunschweig/Wolfsburg. Dazu statteten die Techniker:innen, in Kooperation mit der TU Braunschweig, dem Ifak Institut für Markt- und Sozialforschung und der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt, entlang einer Strecke mehrere Ampeln mit dem 5G-basierten System aus, das Rettungsfahrzeuge über mehrere Kreuzungen hinweg bevorrechtigt. „Wir sind im 5G-Live-Netz der Telekom unterwegs und stehen somit in engem Austausch zwischen dem Mobilfunkanbieter, der Stadt und der Feuerwehr, die dieses System ab Sommer im Einsatz testen soll“, sagt Anna Schieben, Konsortialleiterin des 5G-Reallabors.

Drittens ergeben sich dank 5G auch neue Möglichkeiten für teilautomatisiertes oder ferngesteuertes Fahren, etwa von Zügen der Bahn. Den Forscher:innen von Fraunhofer und dem DLR ist es gelungen, von Braunschweig aus einen Zug im Erzgebirge zu steuern – Kamerabilder, Fahrbefehle und Diagnosemeldungen tauschten Schienenfahrzeuge und Steuerungseinrichtungen komplett über das bestehende 5G-Netz aus. Im Problemfall könnten Leitstellen Fernzugriff auf die Züge erhalten oder, noch etwas weiter in die Zukunft gedacht, sogar einen gänzlich unbemannten Betrieb ermöglichen.

5 G in der Mobilitaet Vehicle to Vehicle Kommunikation V2 V

Grafik: Emmett | CC-BY 4.0

5 G in der Mobilitaet Automatisierte Kolonnenfahrten Platooning

Grafik: Emmett | CC-BY 4.0

Noch fehlt der flächendeckende 5G-Ausbau

„Wir müssen derzeit aber noch zwischen der 5G-Technologie im Labor und in der Realität unterscheiden“, schränkt Joachim Heinrich ein. Das reale Umfeld stelle der Netzbetreiber zur Verfügung. Welche Anwendungen sich tatsächlich umsetzen lassen, hänge daher sowohl mit dem Ausbau als auch den implementierten 5G-Funktionen zusammen, die der Netzbetreiber zur Verfügung stellt. Die Branche arbeitet deshalb kooperativ in Sachen Hardware und Software an gemeinsamen Standards. Das betrifft zum Beispiel die Festlegungen des 3GPP-Konsortiums (eine weltweite Kooperation von Standardisierungsgremien für den Mobilfunk), auf deren Basis die Provider, Dienstleister:innen und Verkehrsteilnehmer:innen effektiv – und sicher – miteinander kommunizieren können.

Vor allem der 5G-Ausbau ist eine Mammutaufgabe. Zwar ist es mit 5G möglich und notwendig, dass Verbindungen direkt zwischen Verkehrsteilnehmer:innen stattfinden können, also nicht den Umweg über den nächstgelegenen Funkmast nehmen müssen, wenn dieser Zugang zum Mobilfunknetz mal nicht gegeben ist, sei es durch Ausfälle oder Funklöcher. Dennoch ist ein ständiger Kontakt mit dem Funknetz für viele potenzielle Anwendungen, etwa die Fernsteuerung von Zügen, unerlässlich.

Laut den Daten der Bundesnetzagentur waren Stand Ende 2021 etwa 53 Prozent der Fläche in Deutschland mit 5G versorgt. Bis Ende 2022 sollen an vielbefahrenen Bahnstrecken und entlang aller Autobahnen mindestens 100 Megabit pro Sekunde verfügbar sein, bis Ende 2024 auch auf allen Bundesstraßen. Bislang findet der Ausbau vor allem in Ballungsgebieten statt. Anna Schieben vom DLR sieht das aber nicht als Hindernis: „Viele 5G-Anwendungen könnten zwar zunächst in Städten eingeführt werden, aber das Potenzial der Technologie gerade im ländlichen Raum ist riesig, sowohl für die Mobilität als auch für andere Branchen wie Smart Farming.“ (Gemeint ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Landwirtschaft, etwa für unbemannte Ackerfahrzeuge oder fernsteuerbare Agrardrohnen.) Schon deshalb sei der flächendeckende Ausbau unerlässlich.

Deutschlandkarte, in der die jeweilige lokale Abdeckung mit 5G-Mobilfunk in entsprechenden Farbtönen dargestellt ist

Screenshot: Emmett, Quelle: Breitband-Monitor der Bundesnetzagentur, Stand: Januar 2022

Die Abdeckung mit 5G-Mobilfunk in Deutschland veröffentlicht die Bundesnetzagentur online auf einer interaktiven, kontinuierlich aktualisierten Karte. Die visualisierten Daten lassen sich nach Netzbetreiber und Technologie filtern, man kann Ortsnamen und Adressen eingeben sowie die Darstellungsfarben wählen.
In Testfeldern loten die Forscher:innen die 5G-Grenzen aus

Das 5G-Reallabor Braunschweig/Wolfsburg ist eine von sechs Forschungsregionen, die das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen des 5G-Innovationsprogramms fördert. Weitere gibt es unter anderem in Hamburg, Dresden und Aachen, die das BMDV gemeinsam mit Universitäten und Forschungseinrichtungen betreibt.

Auch die Mobilfunkbetreiber sind aktiv. Telefónica hat kürzlich in Kooperation mit der deutschen Prüfgesellschaft DEKRA ein Testlabor im spanischen Málaga eingeweiht. Vodafone ist mit seinem 5G Mobility Lab an das Aldenhoven Testing Center in Nordrhein-Westfalen angeschlossen und bietet dort seinen Partner:innen die Möglichkeit, über 5G vernetzte Fahrzeuge auf der Strecke zu testen. Die Telekom arbeitet eng mit Institutionen wie Fraunhofer und dem DLR zusammen.

„Wir untersuchen mit unseren Projekten am Fraunhofer IIS vor allem die Grenzen der 5G-Technik“, erklärt Joachim Heinrich: „Was passiert, wenn man wirklich in ein Funkloch kommt? Was ist, wenn in einem Parkhaus am Flughafen plötzlich hunderte Menschen gleichzeitig ausparken wollen? Was passiert, wenn sie über eine Landesgrenze fahren?“ Sind diese Fragen erst einmal beantwortet, sind zumindest einige Hürden der 5G-basierten Mobilitätswende gemeistert.

Streit um Funkstandards: 5G oder WLANp?

Bei der Vernetzung von Fahrzeugen gibt es neben dem hier beschriebenen 5G-Mobilfunk eine zweite Möglichkeit der Datenübertragung: WLAN.

Der WLAN-Standard 802.11p, auch WLANp genannt, wurde eigens zu diesem Zweck entwickelt. (In Europa wird er alternativ als ITS-G5 bezeichnet, in den USA als DSRC.)

Beide Arten der Datenübertragung haben Vor- und Nachteile. Miteinander kompatibel sind sie nicht. Während WLANp einsatzbereit ist, ist 5G noch nicht ausgereift (siehe oben). Automobilhersteller und andere Industrieunternehmen konnten sich bislang dennoch auf keinen Standard einigen.

Als die EU-Kommission im Jahr 2019 WLANp zur Fahrzeugkommunikation vorschreiben wollte, intervenierten die Verkehrsministerien verschiedener EU-Länder – die Verordnung trat daraufhin nicht in Kraft. In den USA und China hat man sich auf den Mobilfunk-Standard festgelegt.

Während es Allianzen für beide Standards gibt, plädiert unter anderem der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) für Technologieoffenheit. Eine Koexistenz beider Standards ist denkbar. Der Autohersteller VW hat seinen Golf 8 derweil mit V2V-Kommunikation via WLANp ausgestattet – womöglich, um nicht länger auf eine Festlegung warten zu müssen. (LB)

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