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Skeptisch, erwartungsvoll, bereit zum Mitwirken: Studien ermitteln, wie Bürger:innen die Digitalisierung der Mobilität sehen

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Henry Steinhau

Skeptisch, erwartungsvoll, bereit zum Mitwirken: Studien ermitteln, wie Bürger:innen die Digitalisierung der Mobilität sehen

Wie intensiv die Menschen digitale Technologien in der Mobilität nutzen und wie skeptisch sie diese einschätzen, das unterscheidet sich nach Alter und sozioökonomischer Stellung – so der „Mobilitätsmonitor 2021“. Seinen bemerkenswerten Befunden fehlen jedoch genauere Blicke auf Fuß- und Radverkehr. Dabei würden auch diese Mobilitätsformen von digitalen Diensten profitieren – so eine Untersuchung des Umweltbundesamts. Damit diesbezügliche Datenlagen besser werden, zeigen sich Radfahrer:innen bereit, an Studien zu Verkehrsinfrastrukturen mitzuwirken.

Werden Digitalisierung und datenbasierte Technologien in der Mobilität von den Menschen eher begrüßt oder eher skeptisch betrachtet?

Was erwarten oder erhoffen sich die Menschen von datengetriebenen Mobilitätsdiensten für ihren Alltag und ihre Lebenswirklichkeit?

Antworten auf diese und ähnliche Fragen lässt die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Acatech, seit 2019 in einer jährlich durchgeführten Langzeitstudie ermitteln. Seit kurzem liegen die neuesten Ergebnisse vor, zusammengefasst im „Mobilitätsmonitor 2021“. Neben schwerpunktmäßigen Fragen zu Klimaschutz und E-Mobilität schürften die Meinungsforscher:innen des beauftragten Instituts für Demoskopie Allensbach auch nach Einstellungen der Deutschen zu „Digitalisierung und Mobilität“.

16- bis 29-Jährige zeigen sich aufgeschlossen gegenüber digitalen Mobilitätsangeboten

Einer der Befunde aus diesem insgesamt sieben Fragen umfassenden Abschnitt mag zwar nicht überraschen, ist aber dennoch auffällig: 16- bis 29-Jährige zeigen sich im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufgeschlossener gegenüber digitalen Diensten und benutzen auch für ihre Mobilität mehr digitale Geräte und Services. Besonders deutlich zeigen sich die Unterschiede, wenn es um Apps des ÖPNV, der Deutschen Bahn, von modernen Anbieter:innen wie Uber und Flixbus, um digitale Karten- und Navigationsdienste sowie die Online-Ausleihe von Fahrrädern, Rollern und E-Scootern geht.

Daraus können nicht nur Dienste- und App-Anbieter:innen, sondern auch Verkehrsverwaltungen und die Rahmenbedingungen setzende Politik entsprechende Schlüsse ziehen: was für Jüngere bereits jetzt alltäglich(er) ist, werden sie künftig als selbstverständlich voraussetzen. Sie werden erwarten, dass Angebote, Informationen und Daten übergreifender nutzbar sind, auch wenn sie von unterschiedlichen Mobilitätsdienstleister:innen und nur teilweise aus offenen, mitunter staatlich unterhaltenen Mobilitätsdatenräumen stammen.

Der sozioökonomische Status wirkt sich auf die Haltung zur Digitalisierung aus

Die Acatech-Studie verdeutlicht zugleich, dass viele Menschen skeptisch auf bestimmte Aspekte der Digitalisierung in der Mobilität blicken, etwa darauf, was diese für Autos bedeute. Hier meinen zwei Drittel der Befragten, die Autos würden in der Handhabung künftig komplizierter statt einfacher. Allerdings spielt bei dieser Beurteilung erneut das Alter eine Rolle: Je älter die Menschen sind, desto skeptischer sehen sie diesen Punkt. Besonders interessant ist, dass auch ihr sozioökonomischer Status sie unterschiedlich auf mehr und mehr digitalisierte Autos blicken lässt, wobei die schlechtergestellten Menschen am skeptischsten sind, die Mittelschicht hingegen tendenziell optimistischer scheint.

Ebenfalls rund zwei Drittel blicken zuversichtlich auf den Einsatz datengetriebener Technologien und Dienste, zumindest dann, wenn diese die persönliche Mobilität verbessern. Konkret erwarten beziehungsweise erhoffen sich jeweils über 60 Prozent, dass ihnen Verkehrsstaus in Echtzeit gemeldet werden. Des Weiteren wünschen sie sich, dass Verkehrsstörungen künftig direkt an Systeme in Pkws und im öffentlichen Nahverkehr weitergeleitet und Navigationsgeräte alternative Routen und Verkehrsmittel empfehlen werden. Über die Hälfte der Befragten begrüßten es, wenn Fahrzeuge automatisch bremsten, sobald sie Hindernisse oder Menschen erkennen, oder – ebenfalls sensorgestützt – den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen regulierten, wenn Ampeln verkehrsbezogener (intelligenter) schalteten und wenn Informationen über freie Parkplätze in Echtzeit verfügbar wären. Kurzum: Digitalisierung soll aus Sicht der meisten Bürger:innen primär zu Zeitersparnissen und Effizienz, zu mehr Bequemlichkeit und erhöhter Verkehrssicherheit führen.

So sehr sich die methodisch gründliche Studie um einen ganzheitlichen Blick auf die Mobilität der Zukunft bemüht, er gelingt ihr nicht ganz. Das liegt insbesondere daran, dass sich viele Fragen auf den Autoverkehr, Staus, den Verkehrsfluss und Straßen beziehen, einige auch um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) drehen. Doch die Mobilitätsformen Fahrradfahren und Zufußgehen, die spätestens seit der Coronapandemie deutlich wachsende Anteile am Verkehrsgeschehen haben, kommen in der Studie zu kurz. Die Meinungsforscher:innen sollten den Fahrrad- und Fußverkehr sowie die Mikromobilität – mit Rollern, E-Scootern und weiteren Kleinstfahrzeugen – mehr berücksichtigen und zu diesbezüglichen Aspekten spezifischer fragen.

Wie die Studie selbst belegt, stehen gerade jüngere Menschen dem multimodalen Verkehr aufgeschlossen gegenüber, sprich dem Wechseln der Verkehrsträger und dem Konzept des Leihens und Teilens von Fahrzeugen. Daher wäre es aufschlussreich, differenzierte Aussagen dazu zu erhalten, was Digitalisierung insbesondere für den Fahrrad- und Fußverkehr sowie für mikromobile Angebote nach Meinung der Menschen bewirken könnte und sollte – und welchen Einfluss der sozioökonomische Status darauf hat, wie sie diese Mobilitätsformen bewerten oder auch nutzen würden.

Wunsch nach Echtzeitdaten zur Mobilität

Das Bedürfnis für digitale Informationsangebote über das Autofahren hinaus scheint jedenfalls vorhanden zu sein. Das ermittelte eine (nicht repräsentative) Umfrage anlässlich des Deutschen Mobilitätspreises, den die Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ausrichtet. Laut den Umfrageergebnissen (PDF) würden 61 Prozent der Befragten mehr Echtzeitdaten zur Pünktlichkeit des ÖPNV begrüßen – bei den 18- bis 29-Jährigen sogar 80 Prozent. Zudem wünschen sich 45 Prozent der 18- bis 29-Jährigen aktuelle Informationen zu freien Sitzplätzen im ÖPNV.

Grafik: Standordinitiative Deutschland – Land der Ideen (Stand: Juli 2021)
Grafik: Standordinitiative Deutschland – Land der Ideen (Stand: Juli 2021)
Umweltbundesamt legt Daten zur Wahrnehmung und Verbesserung von Fuß- und Radverkehr vor

Interessante Erhebungen dazu, wie die Menschen sowohl das Zufußgehen als auch das Radfahren wahrnehmen, legte auch das Umweltbundesamt vergangenes Jahr vor. In seinem Abschlussbericht zu „Aktive Mobilität: Mehr Lebensqualität in Ballungsräumen“ (PDF) brachte die Behörde auf Basis mehrerer miteinander kombinierter Forschungsmethoden sehr detailliertes Zahlenmaterial zutage. Daraus leitete sie zahlreiche Rückschlüsse und Handlungsempfehlungen ab, wie sich die Situation für Fußgänger:innen und Radfahrende verbessern ließe.

Im Bericht heißt es unter anderem:

„In den […] Interviews wurde insbesondere festgestellt, dass das Zufußgehen weniger als das Radfahren reflektiert und mehr als selbstverständliche Fortbewegungsart wahrgenommen wird. Eine gezielte Sensibilisierung der Bevölkerung zum Thema Zufußgehen ist empfehlenswert, um das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Zufußgehen ein Teil der aktiven Mobilität ist und unter anderem einen großen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in den Städten leistet.“

Bemerkenswert an den Studienergebnissen ist zudem, dass, so der Bericht, „die Verfügbarkeit von Mobilfunk und Internetzugang eine positive Wirkung auf das Zufußgehen hat. […] Die Nutzung eines mobilen Endgerätes während des Zufußgehens dient beispielsweise der Kommunikation, dem Abruf aktueller Informationen zum Beispiel über Verkehrsverbindungen sowie der Orientierung mithilfe einer Routenauskunft.“ Eine flächendeckende mobile Informationsverfügbarkeit sei wichtig, um Informationsbedarfe zeitaktuell vor und während der Wege zu Fuß erfüllen zu können.

Anders gesagt: Daten und datengetriebene Dienste sind auch für Fußgänger:innen bedeutend und können wahrscheinlich dazu beitragen, das Bewusstsein für das Zufußgehen zu erhöhen und den Anteil dieser Mobilitätsform zu erhöhen. Ähnliche Befunde gelten für den Radverkehr:

„In diesem Projekt konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, mit dem Fahrrad zu fahren, mit zunehmender positiver Wahrnehmung des Radfahrens deutlich ansteigt. […] Eine hohe Bewertung der Wichtigkeit von Privatsphäre und Komfort bei der Verkehrsmittelwahl hat negativen Einfluss auf das Fahrradfahren. Das bedeutet: Je wichtiger die Merkmale Privatsphäre und Komfort eingeschätzt werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrrad genutzt wird.“

Auch den Radverkehr zählen

Mit ihren Erhebungen liefern sowohl die Acatech als auch das Umweltbundesamt wertvolle Erkenntnisse zu den Einstellungen der Menschen bezüglich ihrer eigenen Mobilität. Digitale Dienste und Daten haben demnach nicht nur für Autofahrer:innen und ÖPNV-Nutzende eine wachsende Bedeutung. Auch Fahrradfahrer:innen und Fußgänger:innen profitieren von digitalen Informationen. Dies wiederum trage dazu bei, dass die Menschen diese – besonders umweltfreundlichen und gesundheitsfördernden – Mobilitätsformen bewusster und attraktiver wahrnehmen.

Doch schlagen sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Einstellungen und Erwartungen der Menschen letztlich auch in steigendem Rad- und Fußverkehr nieder? Um diese Frage zu beantworten, müsste erforscht werden, ob mehr oder verbesserte digitale Informations- und Serviceangebote in Städten und Regionen direkt mit einem zunehmenden Fuß- und Radverkehr korrelieren.

Hierfür sind empirische Messungen erforderlich, etwa mit automatisierten Zählverfahren für den (innerstädtischen) Radverkehr. Tatsächlich nimmt die Zahl solcher Zählstellen seit Jahren kontinuierlich zu. Mittlerweile wird unter anderem in München, Hannover, Münster, Hamburg und Berlin systematisch und permanent gezählt und ausgewertet, wie viele Fahrräder bestimmte Zählpunkte durchfahren.

In Berlin sind zudem drei sogenannte Fahrradbarometer in Planung, von denen eines kürzlich in Betrieb gegangen ist. Dabei handelt es sich um große Anzeigetafeln, auf denen abzulesen ist, wie viele Fahrräder den jeweiligen Standort pro Tag beziehungsweise im Jahr passiert haben. Von dieser Sichtbarmachung der gezählten Fahrten erhofft sich die zuständige Senatsverwaltung nach eigener Aussage, „den hohen Stellenwert des Radverkehrs für das Verkehrsgeschehen in Berlin“ zu verdeutlichen und die Bürger:innen zum Radfahren zu motivieren.

Das Fahrradbarometer in Berlin zählt und zeigt an, wieviel Radfahrende diese Zählstelle pro Tag und im Jahr bereits durchfahren haben. Foto: infraVelo/Daniel Rudolph
Das Fahrradbarometer in Berlin zählt und zeigt an, wieviel Radfahrende diese Zählstelle pro Tag und im Jahr bereits durchfahren haben. Foto: infraVelo/Daniel Rudolph
Noch mehr Erkenntnisse durch Datenspenden

Trotz vielfach neu eingerichteter und mitunter seit Jahren verstetigter Prozesse gibt es (noch) keine flächendeckende, vollständige und detaillierte Erfassung der Rad- und Fußverkehre in allen Städten, Regionen und Bundesländern. In Radwege oder Straßen eingebrachte Sensoren lassen sich so konfigurieren, dass sie Fahrräder hinreichend gut erkennen, auch Lastenräder und E-Bikes. Schwieriger gestaltet sich das exakte und fehlerarme Erfassen von Fußgänger:innen.

Für Wissenschaftler:innen und für Stadtverwaltungen oder bestimmte Planungsprojekte bietet sich daher an, Fahrradfahrende und Fußgänger:innen dafür zu gewinnen, ihre Daten zu spenden. Das Datensammeln geschieht mittels spezieller Sensoren oder mithilfe von Apps, die auf Smartphones im Wortsinn mitlaufen und mitfahren, um relevante Daten zu Routen, Orten oder Fahrtverläufen aufzuzeichnen und zu übertragen. Hier bewähren sich seit einiger Zeit sogenannte Mapathons – zeitlich und geografisch begrenzte Datensammelaktionen –, Crowdsourcing für Mobilitätsdaten sowie der Einsatz von Citizen Scientists, nicht selten unterstützt durch Anreize wie Gewinnspiele.

Wie sich anhand mehrerer Beispiele zeigt, sind viele Menschen bereit, ihre Daten zu spenden. So erfreut sich der als „Stadtradeln“ bekannte Mapathon schon seit vielen Jahren steigender Beteiligung – auch dank des wettbewerbsartigen Charakters, der erfolgreich auf das Gemeinschaftsgefühl in einer Stadt oder Region setzt.

Und bei einer projektbegleitenden Befragung im Verlauf des mFUND-geförderten Projekts ECOsense stellte sich heraus, dass in Oldenburg Bürger:innen mehrheitlich aus altruistischen Motiven beim Datenerfassen mitmachen, um ihre Stadt in der Planung und Umsetzung fahrradfreundlicher Infrastrukturen zu unterstützen.

Die Veranstalter:innen des erwähnten Deutschen Mobilitätspreises ermittelten in ihrer Umfrage ebenfalls, dass Männer zu 41 Prozent und Frauen zu 34 Prozent bereit sind, Mobilitätsdaten zu teilen. Dies gilt in Bezug auf ihre Nutzung von Fahrassistenzsystemen in Autos sowie auf das Tracken ihres Fahrstils.

Grafik: Standordinitiative Deutschland – Land der Ideen (Stand: Juli 2021)
Grafik: Standordinitiative Deutschland – Land der Ideen (Stand: Juli 2021)
Fazit

Digitalisierung ist in der Mobilität längst allgegenwärtig. Was sie bringt und was von ihr erwartet wird, stößt – wie die Acatech-Studie zeigt – auch auf Skepsis, die je nach Alter und sozioökonomischer Stellung unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Allerdings leiten sich viele Befunde aus Studien und Umfragen noch immer stark vom Blick auf den Autoverkehr und das Autofahren ab, der nach wie vor dominierenden Mobilitätsform in Deutschland.

Doch auch das Fahrradfahren und das Zufußgehen, so die Studie des Umweltbundesamts, können unmittelbar von digitalen Informationen und datengetriebenen Diensten profitieren, sowohl im „Ansehen“ als auch in ihren Anteilen an der Mobilität. Allerdings müssten über den Rad- und Fußverkehr mehr und systematischer Daten erhoben werden.

Wo es hierfür an Willen, Ressourcen oder technischen Möglichkeiten fehlen mag, können Forscher:innen, Initiativen und Projektteams darauf setzen, dass Menschen Mobilitätsdaten spenden oder sammeln. Auf diesem Wege können Bürger:innen in gewissem Maße sowohl die regionalen Verkehrsinfrastrukturen mitgestalten als auch daran mitwirken, wie Mobilitätsdaten und Digitalisierung gewinnbringend zu nutzen sind.

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