Wissenschaftskommunikation: So erreicht Forschung ihre Zielgruppe (Teil 1)

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Lukas Bergheim

Wissenschaftskommunikation: So erreicht Forschung ihre Zielgruppe (Teil 1)

Wissen ist zu schade für die Schublade, Forschung nichts für die Tonne. Richtig aufbereitet lässt sich dieses kümmerliche Schicksal abwenden – mit etwas Mühe und sorgfältiger Planung. In diesem Beitrag erklären wir, wodurch sich gute Wissenschaftskommunikation auszeichnet, und geben Tipps, mit denen Sie bessere Texte schreiben.

„Tue Gutes und …“ – ein Satz, so häufig gehört, dass man ihn automatisch vervollständigt.

Doch besonders in der Forschung und Entwicklung scheint es viele Menschen zu geben, denen der zweite Teil dieses Satzes schwerfällt: Menschen, die Gutes tun, aber nicht sonderlich gern darüber reden.

Während manche nicht wissen, wie sie es anstellen sollen, ist für andere die sogenannte Werbung in eigener Sache eben genau das: Werbung, und damit fast schon anrüchig. Wer wirbt, muss es nötig haben, lautet eine verbreitete Auffassung. Wer wirbt, riskiert außerdem, Fakten nicht korrekt darzustellen. Dies widerspricht dem Berufsethos von Wissenschaftler*innen.

Dennoch sollte es Teil eines jeden Forschungsprojekts sein, mindestens dessen Ergebnisse bekannt zu machen.

Bekannt machen“ beschreibt die Aufgabe viel besser als der Begriff Werbung, denn mit Werbung assoziieren viele ein kommerzielles Interesse. Passender sind die Begriffe Öffentlichkeitsarbeit oder Wissenschaftskommunikation.

Was ist Wissenschaftskommunikation und warum ist sie so wichtig, gerade auch für mFUND-Projekte?

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech und die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften verstehen unter Wissenschaftskommunikation die

beständige und aktive Information der Öffentlichkeit durch die Forschungseinrichtungen, Universitäten und andere Wissenschaftsorganisationen über Erkenntnisfortschritte der Wissenschaft sowie über deren gesellschaftliche und politische Implikationen“.

Aus einer gemeinsamen Erklärung (PDF) der drei Institutionen spricht die Auffassung, dass Forschung und Entwicklung unvollendet bleiben, solange die Öffentlichkeit nicht von ihnen erfährt.

Wer diese Öffentlichkeit ist und welche Form die Wissenschaftskommunikation annehmen kann, hängt vom Kontext ab: Mal ist es der begrenzte Kreis der Fachkolleg*innen auf einer Tagung, mal sollen alle Bürger*innen über die Medien von den Erkenntnisfortschritten erfahren.

Diese virtuelle Pressekonferenz des Science Media Centers richtete sich beispielsweise an Journalist*innen, die über das 9-Euro-Ticket berichten wollten:

Zu klären, was für wen relevant ist und welche Erkenntnisse womöglich gesellschaftliche und politische Auswirkungen haben, ist Teil der Wissenschaftskommunikation.

Für den mFUND und sein Kernthema Mobilität der Zukunft kann grundsätzlich eine relativ große gesellschaftliche Relevanz angenommen werden. Mag beispielsweise die Entdeckung einer neuen Tiefseespezies in der entsprechenden Fachcommunity eine Sensation sein, so sind ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft dennoch gering oder nicht vorhanden. Bei Mobilitätsinnovationen ist das anders.

Drei Beispiele:

  • Wenn im Projekt OPENER next ein Weg gefunden wird, Daten zu Barrieren im öffentlichen Verkehr gemeinschaftlich zu erfassen, dann rückt das Ziel der Barrierefreiheit bestenfalls für alle Menschen in Deutschland ein Stück näher.
  • Wenn die im Projekt SMueR entwickelten modularen Mobilitätsstationen ein Erfolg werden, könnte die ländliche Mobilität schon bald flexibler und bedarfsgerechter sein – nicht nur am Standort der Pilotinstallation in der Lutherstadt Eisleben, sondern überall.
  • Wenn Unfallschwerpunkte mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz untersucht und auf Veränderungen hin analysiert werden, so wie im Projekt KI4Safety, dann verbessert sich hoffentlich die Verkehrssicherheit für alle.
Was sind Kennzeichen guter Wissenschaftskommunikation?

Gute Wissenschaftskommunikation ist an ihre Zielgruppen angepasst.

Zielgruppen können sein:

  • Fachpublikum, Fachjournalist*innen
  • Netzwerke, Verbände
  • Wissenschaftsressorts in Publikumsmedien
  • Entscheidungsträger*innen aus Politik und Wirtschaft
  • Umfeld der eigenen Einrichtung (organisatorisch und geografisch)
  • Zivilgesellschaft, Verbraucher*innen, Bürger*innen

Aufmachung, Ansprache und Informationstiefe sind so zu wählen, dass die Zielgruppe aufmerksam wird und einen Erkenntnisgewinn hat. Zu viele Details sind dabei in der Regel nicht förderlich, sondern lenken von der Neuigkeit ab, die im Zentrum stehen sollte. Wenn die Kommunikation über die Fachcommunity hinausgehen soll, sollte sie eine Frage immer klar beantworten: Worin besteht der Anknüpfungspunkt für die jeweilige Gruppe?

Diese Frage sollten sich die Kommunikator*innen auch in Bezug auf die Wahl der richtigen Medien, Plattformen oder Kanäle stellen: Wo kommt die Zielgruppe mit der Neuigkeit in Kontakt?

Der Standard der Wissenschaftskommunikation sind Pressemitteilungen, die primär an Redaktionen und Journalist*innen gerichtet sind. Sie enthalten neben einem Text bestenfalls auch Bilder, Links, vorbereitete Zitate von beteiligten Personen sowie Kontaktdaten für Rückfragen. Sie sind ein unaufdringlicher Weg, Journalist*innen zu kontaktieren und ihnen die wichtigsten Informationen zu einem Thema anzubieten. Haben Journalist*innen Interesse, bei Neuigkeiten direkt angesprochen zu werden (per Telefon, E-Mail oder via Social Media), werden sie dies mitteilen.

Screenshot der Trefferliste zum Sachgebiet "Verkehr und Transport" auf der Website des Informationsdienstes Wissenschaft

Screenshot: idw-online.de

Der Informationsdienst Wissenschaft (idw) veröffentlicht Pressemitteilungen von mehr als 1.000 Einrichtungen, die vor allem in der Forschung tätig sind. Hier zu sehen: Mitteilungen aus dem Sachgebiet Verkehr/Transport.

Es sollte mindestens ein Adressverteiler angelegt und gepflegt werden, in dem bei entsprechenden Rückmeldungen festgehalten wird, wer zukünftig auf welchem Wege und wie oft kontaktiert werden möchte. Wer ist bei Medium XY für das betreffende Thema zuständig? Wer möchte gerne angerufen werden, wer erhält lieber eine E-Mail mit den wichtigsten Informationen? Auch wenn es einen Mehraufwand bedeutet: Sinnvoller sind oft mehrere Verteiler – einer für die lokale, einer für die überregionale Presse, ein weiterer für Fachmedien, einer für „Publikumsmedien“ und so weiter. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die unterschiedlichen Verteiler ermöglichen eine gezieltere Ansprache der jeweiligen Adressat*innen.

Viele Journalist*innen informieren sich auch auf Plattformen wie dem Informationsdienst Wissenschaft oder dem Science Media Center. Diese sind daher ebenfalls mit den entsprechenden Informationen zu beliefern.

Wer Großes zu berichten hat, veranstaltet eine Pressekonferenz, darf sich im Zweifel aber nicht wundern, wenn Redaktionen Praktikant*innen oder freie Mitarbeiter*innen schicken, lieber nur online teilnehmen möchten oder gar nur das Informations- beziehungsweise Begleitmaterial anfordern. Das muss nicht an mangelndem Interesse liegen. Oft sind eine hohe Arbeitsbelastung und schlechte personelle Ausstattung in den Redaktionen die Gründe. Daher ist es ratsam, Pressekonferenzen auch online zu streamen, aufzuzeichnen und gut zu dokumentieren. Bereits vorab sollten Informationsmaterialien, Fotos und Bewegtbilder vorbereitet werden, um jegliches – auch vermeintlich geringes – Interesse am Thema befriedigen zu können.

Gibt es regelmäßig Neuigkeiten zu berichten und zahlreiche Interessierte, die den Aufwand rechtfertigen, können ein Newsletter, Podcast oder Blog das Mittel der Wahl sein. Häufiger als einmal im Monat dürfte es in den wenigsten Projekten einen Kommunikationsanlass geben – seltener sollten Neuigkeiten aber auch nicht veröffentlicht werden. Denn wer einen Kanal abonniert, erwartet dort auch regelmäßig neue Inhalte. Alles andere ist enttäuschend und sollte daher besser vermieden werden.

Der Podcast Emmett in Transit erscheint – unter normalen Umständen – einmal im Monat und thematisiert datengetriebene Entwicklungen im Mobilitätssektor. Hier beispielsweise eine Episode über die Zukunft der Schiene:

Auch Social-Media-Profile sollten mit Bedacht angelegt werden: Wer zum Beispiel Schwierigkeiten hat, gute Fotos oder Grafiken zu produzieren, ist auf Instagram falsch, wird es aber auch auf anderen Plattformen schwer haben, Aufmerksamkeit zu erhalten. Wer nicht regelmäßig posten und sich in den entsprechenden Communitys beteiligen kann oder will, sollte sich überlegen, ob ein Konto dort überhaupt sinnvoll ist. Ein verwaistes Profil ohne sichtbare Aktivität ist keine gute PR.

Eigene Veranstaltungen, beispielsweise ein Tag der offenen Tür, bieten die Gelegenheit, nicht nur das Projekt zu präsentieren, sondern auch die Beteiligten, und um Kontakte zu Interessierten und potenziellen Multiplikator*innen zu knüpfen. Selbiges gilt für das Auftreten auf fremden Veranstaltungen wie Stadtfesten, Regio-Messen und Leistungsschauen.

Unerlässlich ist die Teilnahme an Konferenzen, Messen, Science-Slams, Workshops und ähnlichen Veranstaltungen – idealerweise mit eigenen Vor- oder Beiträgen.

Teilnehmer*innen der mFUND-Konferenz stehen beeinander und unterhalten sich

Foto: Gerhard Kassner

Veranstaltungen sind eine gute Möglichkeit, um sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Hier zu sehen: Teilnehmer*innen der mFUND-Konferenz 2022.

Gute Wissenschaftskommunikation muss also vielfältig und flexibel sein.

Einige grundsätzliche Eigenschaften guter Wissenschaftskommunikation lassen sich dennoch benennen:

  • Sie hat einen Anlass: beispielsweise den Projektstart, die Bekanntgabe einer Partnerschaft, das Erreichen eines Meilensteins oder die Vorstellung zentraler Ergebnisse. Wer mehrere Neuigkeiten zu berichten hat, sollte diese auf mehrere Mitteilungen aufteilen.
  • Sie ist verständlich formuliert – in dem Bewusstsein, dass Spezialwissen bei den Adressat*innen in der Regel nicht vorausgesetzt werden kann.
  • Sie macht es den Empfänger*innen leicht. Gute Wissenschaftskommunikation bietet Interessierten Quellen und weiterführende Links an. Für Journalist*innen und deren Berichterstattung enthält sie die Kontaktdaten von Ansprechpersonen, vorgefertigte Zitate – etwa von der Projektleitung, der Geschäftsführung oder beteiligten Kooperationspartner*innen – und Fotos beziehungsweise Grafiken samt Nutzungsrechten und Urheber*innen-Angaben.
  • Sie hält sich an die Fakten. Das Kommentieren oder Bewerten überlässt sie denjenigen, die sie weiterverbreiten.

Gute Wissenschaftskommunikation ist viel Arbeit.

Für mFUND-Projektteams heißt das: Wissenschaftskommunikation sollte von Anfang an eingeplant werden. Wer sie als Nebensache abtut, nicht die nötigen Ressourcen bereitstellt und sich nicht entsprechend organisiert, wird kaum in der Lage sein, verlässlich und ansprechend zu kommunizieren und die eigenen Kommunikationsziele zu erreichen. (Mehr dazu im zweiten Teil dieses Beitrags.)

Wodurch zeichnen sich gute Texte aus?

Auch wenn Bilder inzwischen nahezu unabdingbar sind, um im Internet Aufmerksamkeit zu generieren, haben Texte nicht ausgedient. Im Gegenteil: Bei der Kommunikation von Forschungsthemen kommt es schließlich auf die Details an, und die lassen sich in Worten oft besser erklären als in Bildern. Damit das gelingt, sollten Texte speziell aufgebaut und verständlich formuliert sein.

Der Aufbau von (Presse-)Texten

Verkehrte Welt: In der Wissenschaftskommunikation gehört das Fazit an den Anfang des Textes. Anders als in wissenschaftlichen Arbeiten ist eine umfangreiche Hinführung nicht nur unnötig, sie ist ganz und gar deplatziert.

Die Aufmerksamkeit von Menschen ist zu einem knappen Gut geworden. Der tägliche Überfluss an Informationen hat zu einer Armut der Aufmerksamkeit geführt. Push-Nachrichten, Messenger, Social-Media-Apps, Newsletter – Menschen können ihre Aufmerksamkeit nur einer begrenzten Zahl an Dingen zuwenden. Zudem können sie diese nur für eine kurze Zeit aufrechterhalten: Die Aufmerksamkeitsspanne im Internet liegt im Sekunden-Bereich. Eine Ablenkung – und die meisten Menschen wenden sich etwas anderem zu.

Ein Text muss also gleich zu Beginn verdeutlichen, was er behandelt und warum er die Aufmerksamkeit seiner Leser*innen wert ist. Einleitung, Studienlage, Methodik – das alles lässt Menschen abspringen. Stattdessen muss das Wichtigste ganz nach vorn.

Tipp: Ist das Forschungsergebnis nicht übermäßig spannend, hilft als Köder auch ein überraschendes Detail.

Hier schaffte es ein Forscher, seine Arbeit auf der Plattform Instagram bekanntzumachen, indem er eine ungewöhnliche Erkenntnis herausgriff und selbst anwandte:

Redaktionen arbeiten mit dem Küchenzuruf. Damit finden Journalist*innen den Kern einer Nachricht. Das geht in etwa so: Man stellt sich vor, man säße im Wohnzimmer und erführe von einer interessanten Neuigkeit. Die möchte man einer anderen Person mitteilen, die in der Küche steht. Was ruft man nun in die Küche? Genau: Das Wichtigste in Kürze.

Beispiel aus einem Projektsteckbrief: Autonomes Fahren ist keine Utopie mehr. Unterschiedliche Sensoren und Technologien erlauben heutzutage die hochgenaue Lokalisierung und Kommunikation autonomer Fahrzeuge. Die Entwicklung innovativer Verfahren zur Steuerung der Fahrzeuge setzt auf die vorhandene Datenbasis auf. Die Testdaten von Automobilherstellern sind jedoch zumeist nicht öffentlich zugänglich, wodurch neue Nutzungsmöglichkeiten gar nicht erst entstehen können.

Küchenzuruf: Die Autohersteller halten Testdaten geheim und verhindern dadurch Innovationen.

Wer auf diese Weise einsteigt, wird mit der Aufmerksamkeit der Zielgruppe belohnt. Wichtige Details sollten nach hinten wandern, marginale Details sollten nur auf Nachfrage erklärt werden.

Insgesamt sollten Texte – ganz gleich, ob Pressemitteilung oder Social-Media-Post – von angemessener Länge und klar strukturiert sein. Dazu dienen Zwischenüberschriften oder andere optische Trenner wie Absätze, Bilder, Linien und Kästen

Als besonders effektive Methode, Informationen weiterzugeben, gilt das Storytelling. Dabei bindet man die Informationen in eine Geschichte ein. Ein gängiges Muster, das sich etwa in traditionellen Erzählungen oder in Hollywood-Filmen findet: Problem, Suche, Lösung (oder auch Konflikt, Kampf, Auflösung). Oft gibt es in solchen Erzählungen eine Person, die sich der Herausforderung annimmt. Diese Methode bietet sich allerdings nicht immer an, zumal sie sehr aufwendig ist.

Eine globale Pandemie, zwei Held*innen, ein Rennen gegen die Zeit – und schließlich ein Impfstoff, der anders ist als alle zuvor. Der Podcast „Eine neue Medizin – Die Biontech-Story“ erzählt die Impfstoffentwicklung als Held*innen-Reise:

Verständlichkeit

Verständlich zu schreiben, ist ein Handwerk, das in Ratgebern, Fortbildungen und Studiengängen vermittelt wird. Textverständlichkeit ist ein eigenes Forschungsfeld, dem sich hierzulande unter anderen die Universität Hohenheim widmet. Sie bietet auch Tipps zum verständlichen Schreiben an.

Die wichtigste Schreibregel lautet: So kurz und unkompliziert wie möglich formulieren!

Wörter

Das verständliche Schreiben beginnt bei den Wörtern, im Grunde bereits bei den Silben. Als Faustregel gilt: Je weniger Silben, desto besser.

Beispiele: Automobil, Zielvorstellung, Entwicklungsprozess

Verständlicher: Auto, Ziel/Zweck, Entwicklung

Wer von möglichst vielen Menschen verstanden werden will, sollte Fachsprache vermeiden. Sind einzelne Fachbegriffe oder Abkürzungen unverzichtbar, hilft es, sie zu erklären.

Beispiele: Lichtsignalanlage (LSA), Modal Split, API

Verständlicher: Ampel, Verkehrsmittelwahl, Programmierschnittstelle

Übrigens: Wer das eigene Fachwissen für selbstverständlich und nicht erklärungsbedürftig hält, ist ein Opfer vom „Fluch des Wissens“ geworden.

Für Fremd- und Modewörter finden sich meist verständlichere, deutschsprachige Ausdrücke.

Beispiele: Use Case, Reallabor, implementieren

Verständlicher: Anwendungsfall, in der Praxis erproben, einsetzen/umsetzen

Verwaltungssprache kann im Förderantrag gewünscht sein, hat in der Pressemitteilung aber nichts zu suchen. Das Kopieren und Einfügen von bereits genutzten Textbausteinen ist keine gute Idee!

Beispiele: zum Einsatz kommen, aus gegebenem Anlass, im Rahmen von, im Nachgang

Verständlicher: einsetzen, wegen, bei/während, danach

Dasselbe gilt für den sogenannten Nominalstil, bei dem Verben durch verwandte Nomen ersetzt werden. Ein klares Zeichen für den Nominalstil: Wenn viele Wörter auf -ung enden, sollte der Text überarbeitet werden.

Beispiele: Vermeidung, Attraktivierung, einer Prüfung unterziehen

Verständlicher: vermeiden, verbessern, prüfen

Auch Floskeln und abgenutzte Sprachbilder haben in guter Wissenschaftskommunikation keinen Platz. Oft lassen sie sich ersatzlos streichen.

Beispiele: im Endeffekt, quasi, maßgeschneidert, grünes Licht geben, Fahrt aufnehmen

Zu streichen sind auch Füllwörter wie schon, sogar, einfach, halt, eben, natürlich und quasi.

Verneinungen sind zweite Wahl, wenn es stattdessen ein positives Wort gibt. Doppelte Verneinungen werden oft missverstanden und sollten in guten Texten gar nicht auftauchen.

Wie geht es besser? Konkret sein, lebendig schreiben!

Das geht am besten mit Verben, weil sie eine Handlung ausdrücken. So bringen sie Bewegung in den Text und erzeugen Bilder im Kopf.

Leider gilt diese Regel nicht für alle Verben: Manche Verben lassen Texte sogar blass erscheinen, weil sie keine Bilder im Kopf hervorrufen.

Beispiele: erfolgen (Der zweite Teil des Versuchs erfolgte am Tag darauf.), durchführen (Das Team wird den Test durchführen.), machen (Die neue Technologie macht es möglich.), beinhalten (Die Studie beinhaltete alle Verkehrsträger.)

Verständlicher: Am nächsten Tag setzte das Team den Versuch fort: …, Das Team wird … testen., Die neue Technologie ermöglicht …, Die Studie ließ keinen Verkehrsträger aus.

Modalverben sind oft überflüssig, insbesondere können.

Beispiele: … um Kommunen bei der Verkehrsplanung unterstützen zu können., … damit Datenlücken geschlossen werden können.

Verständlicher: … um Kommunen bei der Verkehrsplanung zu helfen., … um Datenlücken zu schließen./… um fehlende Daten zu ergänzen.

Manchmal sind auch nur die Vorsilben überflüssig, weil sie redundant sind, dem Verb also keine zusätzliche Bedeutung geben.

Beispiele: abklären, nachprüfen, vorprogrammieren

Auch viele Adjektive haben bei genauer Betrachtung wenig Inhalt – oder ihr Inhalt ist Ansichtssache. Was effizient, innovativ, intelligent ist, liegt im Auge der Betrachtenden. Selbst Beschreibungen wie klein oder groß sind relativ. Besser ist es, einen Sachverhalt so zu beschreiben, dass das Adjektiv gar nicht benötigt wird. Wer etwa schreibt, dass durch eine bestimmte Technologie 40 Prozent weniger Energie verbraucht werden, muss sie nicht als „effizient“ beschreiben.

Sätze

Wer die oben genannten Punkte berücksichtigt, hat das verständliche Schreiben leider noch nicht gemeistert – ein Wort kommt schließlich selten allein. Auf der Satzebene sind ebenfalls einige Fehler zu vermeiden.

Auch Sätze sollten kurz sein. Außerdem sollten sie durchsichtig sein, das heißt, ihr Inhalt sollte schnell zu erfassen sein. Selbst wer fachfremd ist, muss einen verständlichen Satz nicht zweimal lesen!

Wichtig sind kompakte Sinneinheiten. Als Faustregel gelten 12 Silben oder 6 Wörter zwischen Subjekt und Prädikat oder zweiteiligen Verben. Um das richtige Maß zu finden, hilft es, den Text laut zu lesen. Wer dabei nach Luft schnappen muss, hat einen zu langen Satz gefunden.

Lange Sätze sollte man zerlegen, sodass nur ein bis zwei Informationen pro Satz bleiben.

Beispiel: Die entwickelte Lösung wurde in Form einer Mobilitätsanalyseplattform für Verkehrsbetriebe, private Anbieter von Mobilitätslösungen, Städte- und Verkehrsplaner etc. umgesetzt, welche durch die Aggregation und intelligente Verarbeitung einer Vielzahl unterschiedlicher Daten (Verkehrs-, Bevölkerungs-, Liniennetzdaten etc.) in der Lage ist, Mobilitätsbedürfnisse zu identifizieren, einen nachfragebasierten Ridepooling-Service zu planen und diese Planung zu simulieren.

Verständlicher: Wir haben eine Analyse-Plattform entwickelt, mit der sich Mobilitätsbedürfnisse erkennen lassen. Zudem lässt sich damit ein Ridepooling-Angebot planen und simulieren. Die Software bündelt und verarbeitet eine Vielzahl von Daten. Sie richtet sich an Verkehrsbetriebe, private Anbieter*innen von Mobilitätslösungen, Stadt- und Verkehrsplaner*innen etc.

Das oben genannte Beispiel zeigt auch, wie Passivformen unterschlagen, wer handelt, und dass ein Satz ohne handelndes Subjekt nicht lebendig ist.

Weitere Beispiele: geeignete Bereiche wurden identifiziert, Daten werden eingespeist

Verständlicher: Die Autor*innen identifizierten geeignete Bereiche., Die Verkehrsunternehmen speisen Daten ein.

Scheinsubjekte erhöhen indes nicht die Verständlichkeit eines Textes, wie der Satz „Es braucht Daten.“ zeigt. In diesem Fall ist der passive Satz „Daten werden benötigt.“ die bessere Variante.

Am verständlichsten sind Hauptsätze. Achtung: Kurze Hauptsätze aneinanderzureihen, kann jedoch abgehackt klingen. Darüber hinaus schützen auch Hauptsätze nicht vor Verständnisproblemen.

Beispiel: Der sparsame Umgang mit der Ressource Fläche ist seit vielen Jahren Gegenstand planerischer Interventionen und Maßnahmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung. Insbesondere im Umgang mit Siedlungs- und Verkehrsflächen sind die Nutzungsansprüche konfliktreich. In dieser Problemlage kommt den Datengrundlagen des Monitorings der Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung besondere Bedeutung zu. Die derzeit verfügbaren Datengrundlagen für diese Aufgabe enthalten aber unter anderem Schwächen in der Aktualität und Zeitreihenfähigkeit.

Verständlicher: Stadtplaner*innen versuchen seit Jahren, Fläche zu sparen. Insbesondere auf Siedlungs- und Verkehrsflächen konkurrieren Ansprüche verschiedener Nutzer*innen-Gruppen. Daher ist es besonders wichtig, die Entwicklung dieser Flächen zu beobachten. Die derzeit verfügbaren Daten sind jedoch oft nicht aktuell und vergleichbar.

Zu guter Letzt: Was tun mit Nebensätzen, wenn sie unverzichtbar sind? In diesem Fall gilt: Nicht einschieben, sondern anhängen.

Beispiel: Mit der Förderung ist es gelungen, diesen Teil der digitalen Kreativszene, der durch Innovationsförderprogramme des Bundes aufgrund administrativer Hürden und mangelnder Kontakte in der Regel schwer erreichbar ist, in großem Umfang durch Projekte und Veranstaltungen zu integrieren.

Verständlicher: Mit der Förderung ist es gelungen, diesen Teil der digitalen Kreativszene zu integrieren. Das glückte durch Projekte und Veranstaltungen. In der Regel stehen Bürokratie und mangelnde Kontakte einer Förderung im Weg.

Das Prüfen und Gegenlesen

Es gibt inzwischen Software, die Texte auf verschiedene der genannten Schwachstellen prüft und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Meist gibt es eine kostenlose Basis-Version mit eingeschränkten Funktionen und einer Zeichenbegrenzung sowie eine kostenpflichtige Premium-Version (sogenanntes Freemium-Modell). Beispiele sind Language Tool, Scribbr, Duden Mentor, Wortliga Textanalyse und TextLab.

Auch die populäre KI-Anwendung ChatGPT kann Texte korrigieren und überarbeiten. Die Voraussetzung dafür sind genaue Anweisungen, die wiederum die Kenntnis potenzieller Schwachstellen von Texten voraussetzt. Ohnehin ist es ein Risiko, die inhaltliche, formale oder stilistische Gestaltung von Texten gänzlich an eine Software zu delegieren. Zunächst sollte man selbst die entsprechenden Regeln lernen, um das Ergebnis von computergenerierten/ -überarbeiteten Texten prüfen zu können.

Eine verlässlichere Alternative sind Firmen oder Selbstständige, die Texte korrigieren und/ oder lektorieren. Sie können sich stilistisch in einen Text einfinden und Korrekturen so vornehmen, dass sie nicht alle Texte über einen Kamm scheren. Ihnen kann man außerdem Fragen stellen oder Änderungsvorschläge mit ihnen diskutieren.

Unantastbar ist in jedem Fall das Vier-Augen-Prinzip. Jeder Text sollte von einer anderen Person gegengelesen werden, um Fehler bezüglich Inhalt, Rechtschreibung und Grammatik zu vermeiden und Verständnisproblemen vorzubeugen. Im Zweifelsfall ist auch der Blick einer fachfremden Person hilfreich, um sicherzugehen, dass ein Text die gewünschte Nachricht transportiert.

Hilfreiche Ressourcen

Wissenschaftskommunikation.de: Wer kommuniziert wie?

Wissenschaft im Dialog: Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR (PDF)

Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik): Tipps

TextHacks: Nie mehr mittelmäßige Texte ins Internet schreiben

In Kürze erscheint an dieser Stelle Teil 2 mit folgenden Inhalten:

  • Welche Kennzeichen weisen gute Wissens-Grafiken auf?
  • Wie funktioniert Wissenschaftskommunikation auf Social Media?
  • Wie organisiert man Wissenschaftskommunikation?
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