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Foto. Blick auf den großen Messestand des BMDV mit mehreren Monitoren, Informationstafel sowie Besucherinnen und Besuchern

ITF Summit widmet sich Nachhaltigkeit in der Mobilität

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Henry Steinhau & Mariel Sousa

ITF Summit widmet sich Nachhaltigkeit in der Mobilität

Beim dreitägigen ITF Summit in Leipzig berieten internationale Expert*innen, wie es dem Mobilitätssektor gelingen kann, das soziale Wohlergehen und die Teilhabe am öffentlichen Verkehr zu verbessern. Am Stand des BMDV zeigten vier mFUND-Projekte ihre Lösungen, etwa audiobasierte Navigationsdienste für Menschen mit Sehbehinderung oder die Integration von Bürgerbusdaten in die Apps des ÖPNV.

Unter dem Motto „Verkehr als Motor für nachhaltige Volkswirtschaften“ fand vergangene Woche der diesjährige ITF Summit im Kongresszentrum der Messe Leipzig statt. Laut dem International Transport Forum nahmen insgesamt 1.400 Menschen aus mehr als 80 Ländern teil. In knapp 70 Panels und Sessions diskutierten sie unter anderem den Beitrag des Mobilitätssektors zur ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Ein weiteres Thema war, was öffentlicher Personenverkehr und der Mobilitätssektor in bestimmten Ländern leisten können, um die dort existierende Armut zu bekämpfen und das soziale Wohlergehen zu steigern. Die Schirmherrschaft des diesjährigen ITF Summit hatte das Vereinigte Königreich.

Wie in jedem Jahr gehörten zahlreiche Messestände zum ITF Summit, beispielsweise der International Union of Railways (UIC), der World Road Association (Piarc), von Nichtregierungsorganisationen wie REN21 (Renewables Now) oder von der Transformative Urban Mobility Initiative (TUMI), die der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) angegliedert ist und mit 11 internationalen Partnerorganisationen kooperiert. Zudem informierten mehrere Länder an eigenen Ständen über Entwicklungen in ihrem Verkehrssektor, darunter Frankreich, das Vereinigte Königreich, Marokko, die USA, Litauen sowie für Deutschland das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).

Am Stand des BMDV präsentierten sich das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung, die bundeseigene Autobahn GmbH sowie das Förderprogramm mFUND. Genauer gesagt zeigten an zwei Stationen insgesamt vier mFUND-Projekte ihre Vorhaben:

  • Die Eingliederung von sogenannten Bürgerbussen – ehrenamtlich organisierter Busverkehr in ländlichen Regionen – in die Fahrplaninformationen des ÖPV zeigten die Beteiligten des mFUND-Projekts FEeoV. Ihr dafür entwickeltes Fahrplantool ist mittlerweile als an die regionalen Bedarfe anpassbares Softwareprodukt verfügbar.
  • Der Suche nach Parkplätzen im öffentlichen Raum, die viel Sonnenlicht abbekommen, hat sich das mFUND-Projekt PVmCharge verschrieben. Anhand von Kataster- und Wetterdaten lassen sie ihre speziell entwickelte Software berechnen, welche Orte sich entweder für das Parken mit mobilen Solarpanels oder für die (temporäre) Installation solarbetriebener Ladestationen eignen.
  • Mit der Vorstellung ihres Prototyps eines autonom fahrenden Lastenrads sorgte das mFUND-Projekt AMD-ÖPNV für Aufmerksamkeit. Ziel ist es, Mikromobilitätsdienste – neben Lastenfahrrädern etwa auch autonom fahrende, kleine Rufbusse – weiterzuentwickeln und ihre Verfügbarkeiten mit den Daten des ÖPNV zu synchronisieren, um mehr intermodale Mobilität zu ermöglichen .
  • Der digitale Routingdienst OD2Guide des gleichnamigen mFUND-Projekts gibt blinden oder sehbehinderten Menschen standortbasierte Hinweise zu Barrieren und barrierefreien Wegen sowie spezifische Routenempfehlungen in gesprochener Form – und erleichtert ihnen so die Teilhabe am öffentlichen Personenverkehr und selbstbestimmte Mobilität.

Über diese Projekte und die aktuellen Förderlinien des mFUND informierten sich am ersten Konferenztag Bundesminister Volker Wissing – gemeinsam mit Verkehrsministerinnen und -ministern aus anderen Ländern – sowie am zweiten Konferenztag die Parlamentarische Staatssekretärin Daniela Kluckert sowie Staatssekretär Hartmut Höppner (beide BMDV).

Foto. Blick auf den großen Messestand des BMDV mit mehreren Monitoren, Informationstafel sowie Bundesminister Volker Wissing und Besucherinnen und Besuchern

Foto: Emmett, CC BY 4.0

Bundesminister Volker Wissing informiert sich am BMDV-Stand über die beteiligten mFUND-Projekte.
Initiative zum Gender Mobility Gap und ein Bewertungssystem für Radverkehrsinfrastrukturen

„Popular Transport“ (wörtlich übersetzt „Volksverkehr“) war das Thema der ITF-Summit-Session „Accessible and sustainable transport systems in African cities for all: Filling in the data gap“ („Zugängliche und nachhaltige Verkehrssysteme in afrikanischen Städten für alle: Die Datenlücke schließen“). Organisiert von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der GIZ und TUMI sprachen Vertreter*innen von Initiativen des World Resources Institute Africa, aus Uganda und aus Äthiopien auch über die Gender Mobility Gap. Sie erörterten, wie gendersensible Daten die politischen und verkehrsplanerischen Entscheidungsprozesse verbessern können.

Die Initiative „Women Mobilize Women“ der TUMI feierte beim ITF ihr fünfjähriges Bestehen. Zu diesem Anlass veröffentlichte sie ein „Coffeetable Book“, in dem 30 herausragende Frauen aus der ganzen Welt porträtiert werden, die die Mobilität verändern. Unten ihnen ist Andrea San Gil León aus Costa Rica, die für das Global Network for Popular Transportation arbeitet. Darin setzt sie sich dafür ein, Politik und Entscheidungsträger*innen über die Chancen des „Popular Transport“ aufzuklären.

In einem weiteren Panel ging es darum, Radverkehrsdaten zu aggregieren, auf deren Basis Radverkehrsinfrastrukturen erneuert, verbessert oder geschaffen werden. Das gemeinnützige International Road Assessment Programme (iRAP) entwickelte mit CycleRAP ein differenziertes Bewertungssystem. Mit Hilfe von Film- und Fotoaufnahmen – die auch von Bürger*innen beigesteuert werden – werden die Zustände von Radwegen, Radstraßen, Radspuren, Kreuzungen und weiteres erfasst und entweder manuell oder mit Bildanalyseverfahren ausgewertet beziehungsweise eingestuft.

Hierzu definierte iRAP zirka 50 unterschiedliche Zustandskategorien sowie vier Unfallrisiko-Arten: Zusammenstöße mit größeren Fahrzeugen, mit Rädern oder leichten Fahrzeugen (Roller etc.), mit zu Fuß Gehenden sowie Unfälle ohne andere Beteiligte (aber aufgrund von Hindernissen o.ä.). Ziel dieser Bewertungsmethodik ist es, die Radverkehrsinfrastrukturen weltweit vergleichbar zu machen und in ein Ranking zu überführen. Daran können sich Verkehrsverwaltungen und Regierungen orientieren, es ermöglicht internationale Statistiken und Erhebungen und könnte zudem für Versicherungen interessant sein.

Hintergrund: Das International Transport Forum (ITF)

Das International Transport Forum (ITF) ist eine 2006 entstandene Organisation, die die Nachfolge der 1953 gegründeten Europäischen Konferenz der Verkehrsminister antrat. Als ein „globales Forum“ will es unterschiedliche Stakeholder*innen einbeziehen und versteht sich eigenen Angaben zufolge als Kommunikationsplattform für alle Aspekte von Verkehr, Logistik und Mobilität sowie als „Denkfabrik für Verkehrspolitik“.

Verwaltungstechnisch ist das ITF an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angegliedert, gleichwohl ist es politisch unabhängig. Es vereint als zwischenstaatliche Organisation derzeit knapp 70 Mitgliedsländer, erstellt Reports und Bestandsaufnahmen. Der jährliche Summit ist laut ITF „die weltweit größte Zusammenkunft von Verkehrsministern und führende globale Plattform für den verkehrspolitischen Dialog“.

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