Die Mobilithek kommt. Deutschlands neuer Nationaler Zugangspunkt für Mobilitätsdaten ersetzt den „Mobilitäts Daten Marktplatz“ und die mCLOUD. Vor seiner Präsentation auf der mFUND-Konferenz erklärt Projektleiter Dr. Roland Goetzke im Interview, was sich ändert, was bleibt und worin der Unterschied zum Datenraum Mobilität besteht.
Emmett: Im Frühjahr 2022 soll die neue Daten-Plattform „Mobilithek“ starten. Sie ersetzt die bisherigen Portale mCLOUD und „Mobilitäts Daten Marktplatz“ (MDM), die nach einer Übergangszeit abgeschaltet werden. Wie lauten die Gründe für die Entscheidung?
Roland Goetzke: Mit der Mobilithek soll die zentrale Anlaufstelle für Daten rund um die Mobilität entstehen. Bislang betreibt das BMVI den MDM für den Austausch von Echtzeitdaten und die mCLOUD als Open-Data-Portal. Beide Ansätze sind richtig, doch das Nebeneinander zweier unterschiedlicher Plattformen verwirrt auch. Ein weiterer wichtiger Grund war, dass die Software hinter dem MDM in die Jahre gekommen ist und nicht mehr wirtschaftlich weiterentwickelt werden kann. Die Gelegenheit war also günstig, etwas Neues zu starten. Dies war insbesondere der Fall, weil sich kürzlich die Rechtslage für die Bereitstellung von Mobilitätsdaten verändert hat, die neue Anforderungen an den MDM mit sich bringt. Daher entsteht mit der Mobilithek nicht nur eine moderne Plattform. Sie verbindet auch die bisherigen Systeme. Für die Migration der dort publizierten Daten gibt es eine Übergangsphase. MDM und mCLOUD gehen nicht sofort vom Netz.
Welche Features bietet die Mobilithek?
Die neue Plattform ist cloudbasiert und lässt sich so viel leichter an verschiedene Leistungsanforderungen sowie wachsende Datenmengen anpassen. Die sichtbaren Funktionen der Mobilithek schalten wir in zwei Stufen frei. Zunächst liegt der Fokus darauf, die Funktionalität von MDM und mCLOUD zu erhalten und modernisiert anzubieten. Die Plattform wird wesentlich benutzer:innenfreundlicher, beispielsweise was den Anmeldeprozess angeht. Außerdem wird es neue Schnittstellen für den Datenaustausch geben.
Können sie ein Beispiel für eine Schnittstelle nennen?
Eine Neuerung gegenüber dem MDM ist, dass sich grundsätzlich alle gängigen Datenformate über einen sogenannten Broker per http/REST an Datennehmer:innen verteilen lassen, sowohl per Push als auch per Pull. Im MDM gibt es diese Möglichkeit nur für das XML-basierte Datenformat DATEX II. Andere Datenformate müssen bisher relativ umständlich in einer Art Container verpackt werden, um sie brokern zu können. Das ist kompliziert und wird entsprechend nicht viel genutzt.
Welche Funktionen soll die Mobilithek im zweiten Schritt erhalten?
Das Update ist für Frühjahr 2023 vorgesehen. Dann wird es beispielsweise einen integrierten Data-App-Space geben. Dort lassen sich Apps zur Datenverarbeitung hinzufügen, die direkt auf die Datenströme der Mobilithek zugreifen und beispielsweise Daten gezielt konvertieren oder filtern können. Auf diese Weise können über die Apps wiederum neue Datenangebote entstehen, ohne dass Daten heruntergeladen, bearbeitet und erneut hochgeladen werden müssen.
In Deutschland entsteht derzeit neben der Mobilithek eine zweite Daten-Plattform: der „Datenraum Mobilität“. Es handelt sich um ein Angebot der Wirtschaft. Inwiefern unterscheiden sich beide Plattformen voneinander?
Mit der Mobilithek schaffen wir ein staatliches Angebot, zu dem Deutschland auch gesetzlich verpflichtet ist. Jedes Land der EU muss einen „Nationalen Zugangspunkt“ für Mobilitätsdaten einrichten, so fordern es die Verordnungen zur europäischen IVS-Richtlinie. IVS steht für Intelligente Verkehrssysteme. Auch das reformierte Personenbeförderungsgesetz verpflichtet Verkehrsunternehmen, ihre umfangreichen Datenbestände im Nationalen Zugangspunkt für Dritte zugreifbar zu machen. Die Mobilithek bildet als zukünftiger Nationaler Zugangspunkt die Datenbasis, auf der etwa Auskunftsangebote für Reisende entwickelt werden können. Oftmals funktioniert der Umstieg auf ein anderes Verkehrsmittel weniger gut als erwünscht, da jedes Mal eine eigene App für Auskunft und Buchung benötigt wird. In der Zukunft lassen sich auf der Datenbasis der Mobilithek übergreifende Informationsangebote viel leichter erstellen. Der „Datenraum Mobilität“ hingegen ist eine Plattform der Wirtschaft für die Wirtschaft und hat seine Stärken im Bereich der Datensouveränität. Unternehmen können dort ihre Datenbestände gezielt und nur für bestimmte Zwecke anderen Unternehmen im Datenraum zur Bearbeitung freigeben. Beide Plattformen haben unterschiedliche Zielrichtungen, ergänzen sich aber gut. Dadurch, dass beide Plattformen auf einer ähnlichen technologischen Basis aufbauen, wird es möglich sein, Daten über eine Schnittstelle zur Mobilithek zu transferieren und umgekehrt.
Die Mobilithek startet im Frühjahr 2022. Ein Jahr später werden MDM und mCLOUD schrittweise in die neue Plattform transferiert. Was müssen Nutzer:innen der beiden Systeme tun?
Alle bereits publizierten Daten werden automatisch in das neue System übertragen. Es ist nicht nötig, die Daten erneut hochzuladen oder neue Publikationen anzulegen. Möglicherweise muss man jedoch der Migration des Nutzer:innenkontos zustimmen und einzelne Angaben ergänzen. Für MDM-Nutzer:innen ist es wichtig zu wissen, dass sich die URLs der Schnittstellen ändern werden. Den Aufwand für die Anpassung schätze ich als gering ein. Nichtsdestotrotz wird der Zeitraum für die Migration verhältnismäßig lang sein, um keine bestehenden Datengeber:innen und Datennehmer:innen zu verlieren. Wir kommen auf die Nutzer:innen zu und unterstützen sie im Migrationsprozess. Die Anwender:innen müssen vorab nicht aktiv werden.
Die Mobilithek wird am 20. Oktober 2021 um 15:30 Uhr auf der mFUND-Konferenz vorgestellt (siehe Programm: Fachforum Nr. 20).
Weitere Informationen zur Mobilithek erhalten Sie außerdem beim mFUND-Fachaustausch am 25. November 2021.
Hören Sie sich auch die neueste Ausgabe von unserem Podcast Emmet in Transit zum Thema Datenraum Mobilität an.