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Mit Kommunen datengetriebene Mobilitätsprojekte im ländlichen Raum konzipieren und umsetzen

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Henry Steinhau

Mit Kommunen datengetriebene Mobilitätsprojekte im ländlichen Raum konzipieren und umsetzen

Geht es um die Infrastrukturen in ländlichen Regionen, sehen sich die Kommunen häufig sehr ähnlichen Situationen und Herausforderungen gegenüber: eine große Anzahl an privaten Pkw, ein spärlicher öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), wenige alternative Mobilitätsformen. Doch wie kommen die Kommunen zu bedarfsgerechten Angeboten wie Rufbussen oder autonomen Shuttles, zu Services, die ÖPNV und Sharing-Fahrzeuge integrieren? Das wollten wir von Beteiligten aus mFUND-Projekten wissen. Wie sie berichten, setzen sie beispielsweise auf eine gründliche Planungsphase, genaue Zieldefinitionen, konkrete Bedarfserhebungen bei den Bürger*innen, aber auch auf eine Einbindung regionaler Unternehmen, Verkehrsbetriebe und Einrichtungen.

Porträtfoto Alexander Bock

Foto: Landratsamt Wunsiedel

„Im ländlichen Flächenraum ist der öffentliche Personennahverkehr generell ausbaufähig, insbesondere der Schulverkehr, aber meist auch darüber hinaus“, konstatiert Alexander Bock, der im Landratsamt Wunsiedel in Oberfranken (Bayern) arbeitet und im gleichnamigen Landkreis für den Bereich Mobilität zuständig ist. Seiner Ansicht nach dürfe die Vernachlässigung öffentlicher Verkehrsangebote nicht darauf hinauslaufen, dass jede Familie irgendwann zwei bis drei Autos hat. Außerdem, führt Bock weiter aus, habe die Bevölkerung heutzutage andere Ansprüche: „Bei uns haben sich Beschwerden über mangelnde ÖPNV-Angebote gehäuft.“

Das sahen und sehen er und weitere Verantwortliche in den kommunalen Behörden als Auftrag, die Mobilität neu zu denken. „Bisher kamen für den ÖPNV nur Busse und Bahnen vor. Wir müssen aber auch andere Formen finden als die 12-Meter-Busse“, sagt Bock und nennt kleine Rufbusse als ein Beispiel, um den zeitgemäßen Bedarfen der Menschen in ländlichen Räumen besser zu entsprechen.

So oder so ähnlich wie diesem Landkreis geht es zahlreichen ländlich geprägten Kommunen. Aufgrund ausgedünnter oder unattraktiver ÖPNV-Angebote verlagerte sich zuletzt immer mehr Alltagsmobilität auf private Pkw, woraufhin Verkehrsbetriebe ihre Dienste mangels Auslastung weiter einschränkten, um wirtschaftlich bleiben zu können.

Doch zwei jüngere Entwicklungen rückten den ÖPNV in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion: Die immer deutlicher werdenden Auswirkungen von zu viel motorisiertem Verkehr auf Umwelt und Klimawandel sowie die infolge des Ukrainekriegs gestiegenen Benzin- und Energiepreise. Vielen ist klar und auch wichtig, dass die Kommunen in der Pflicht sind, die Gegebenheiten, die Infrastrukturen und die Angebote des öffentlichen Verkehrs zu verändern.

Doch wie sollten sie dabei vorgehen? Welchen Beitrag können datenbasierte Lösungen und Vorhaben leisten?

Wir haben bei Kommunen und in Forschungseinrichtungen nachgefragt, die über Erfahrungen aus gemeinsamen Projekten zu neuen Mobilitätsformen und mit datengetriebenen Ansätzen verfügen. In unseren Gesprächen mit ihnen und anhand von Projektberichten zeigte sich, dass die jeweiligen Lösungsansätze unterschiedlich sind.

Doch zugleich kristallisierten sich bei allen sehr ähnliche Erkenntnisse und Lerneffekte heraus, die wir nachfolgend anhand von acht Faktoren näher erläutern. Wir lassen dazu im Wesentlichen die Projektbeteiligten aus den kommunalen Verwaltungen sowie den Projektteams zu Wort kommen. Am Ende dieses Textes fassen wir wichtige Erkenntnisse noch einmal zusammen.

Faktor 1: Über Ziele und Strategien gründlich beraten, viel Zeit für Planungen vorsehen

Häufig sind in den Kommunen die Ressourcen begrenzt, sowohl finanziell als auch personell: klamme Kassen, wenig Stellen in den Verkehrsverwaltungen, oft auch geringe Expertise. Darum brauchen sie kompetente Partner*innen, Unterstützung und konkrete Zuarbeit, insbesondere, um digitale Innovationen umsetzen zu können.

Porträtfoto Richard Göbel

Foto: Hochschule Hof

Richard Göbel arbeitet am Institut für Informationssysteme (iisys) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof. Die dort angesiedelte Forschungsgruppe Multimediale Informationssysteme hatte im mFUND-Projekt Mobilität digital Hochfranken (MobiDig) die Rolle der Verbundkoordinatorin inne. Ziel von MobiDig war es, ein datenbasiertes Verfahren zu entwickeln, mit dem sich die Transportbedarfe in ländlichen Regionen prognostizieren lassen.

Aus seinen Erfahrungen mit MobiDig und weiteren Projekten rät Göbel den Kommunen, dass sie zuerst eine mittel- und langfristige Mobilitätsdatenstrategie ausarbeiten und Ziele klar definieren sollten. Das hätten viele Kommunen noch nicht gemacht. Aber warum nicht?

Richard Göbel: „Bisher brauchten sie es nicht. Bislang waren die regelmäßig erstellten Verkehrsgutachten als Grundlage ausreichend.“

Doch angesichts diversifizierter Mobilitätsangebote und -bedarfe würden die „tradierten“ Verkehrsgutachten nicht mehr ausreichen. Heutzutage seien genauere und aktuellere Daten erforderlich – und es gebe auch Wege, diese zu generieren und zu aggregieren, führt Göbel aus. Außerdem könne eine automatisierte Erfassung von Daten in der Perspektive sogar der kostengünstigere Weg zur Optimierung des Mobilitätsangebots sein.

„Die Kommunen müssen gründlich überlegen und dann festlegen, welche Daten sie wofür haben wollen“, erklärt Göbel. „Damit können sie dann auf Universitäten, IT-Dienstleister*innen und Ingenieurbüros zugehen.“ Am besten sei es, sie würden dabei auch Cloud-Dienste einplanen, um Daten verfügbar zu machen. Aus seiner Sicht gäbe es hierfür am Markt sowohl geeignete Dienstleister*innen als auch infrage kommende IT-Lösungen.

Faktor 2: Vorstudien und Befragungen

Im Landkreis Hildesheim ließen die Verantwortlichen bereits 2018 eine Mobilitätsstudie durchführen und die daraus hervorgegangenen Ergebnisse und Daten verfügbar machen. Vor über zwei Jahren entschieden Stadt- und Kommunalverwaltung dann, unter Verwendung der Studienergebnisse ein Mobilitätskonzept für die Region Hildesheim-Süd zu entwickeln. Erklärte Ziele dieses Konzepts sind,

  • durch mehr Mobilitätsangebote und neue Infrastrukturen „die Verkehrsmittelwahl zu flexibilisieren“,
  • den öffentlichen Verkehr sowie die Fuß- und Radverkehre zu fördern und
  • die Konflikte durch motorisierte Verkehre zu verringern, etwa zwischen Lieferverkehren und anderen Verkehrsteilnehmenden.

An den Anfang der Konzeptwicklung, die im Jahr 2021 startete, erstellten die Projektverantwortlichen eine umfassende Bestands- und Mängelanalyse der Ist-Situation. Damit sollten, wie es auf der zugehörigen Webseite heißt, „Problemlagen und Angebotslücken, aber auch Potenziale zur weiteren Mobilitätsentwicklung identifiziert werden“.

Im Rahmen dieser Projektphase führten die Verantwortlichen auch eine Online-Befragung durch, die der ansässigen Bevölkerung mehrere Optionen bot. Beispielsweise konnten die Bürger*innen Angaben zu ihrem persönlichen Mobilitätsverhalten machen, die vorhandenen Mobilitätsangebote bewerten und (bauliche) Ist-Zustände der Infrastrukturen in einer interaktiven Karte eintragen. Die Auswertungen der Analysen, Befragungen und Bürger*innen-Eingaben dienten den Projektbeteiligten als Basis für alle weiteren Maßnahmen des Mobilitätskonzepts.

Faktor 3: Neue Stellen für die Mobilität schaffen
Porträtfoto Eric Benkenstein

Foto: Ulrike Hausmann | Standortentwicklungsgesellschaft Mansfeld-Südharz

Von einem „Masterplan für den Strukturwandel in der Region“ berichtet Eric Benkenstein. Er arbeitet als Projektmanager Mobilität & Logistik bei der Standortentwicklungsgesellschaft Mansfeld-Südharz, die maßgeblich am mFUND-Projekt Smarte Mobilitätsstationen für ländliche Räume (SmueR) mitwirkt. Im Rahmen des Projekts sollen flexible, interaktive Mobilitätsstationen entstehen. Diese kombinieren Parkplätze, Stellplätze, Ladestationen und Haltestellen miteinander und liefern über ein integriertes Infotainmentsystem touristische oder fahrplanrelevante Informationen.

Die modular konzipierten Stationen sind eines von zahlreichen Elementen des genannten Masterplans. Damit dieser auch umgesetzt werden kann, werden entsprechende Personalressourcen, sprich Stellen in den Verwaltungen, benötigt. Doch genau das war hier – wie so häufig für Kommunen – eine der Herausforderungen.

Der Landkreis Mansfeld-Südharz besteht aus 11 Kommunen, die fast alle ländlich geprägt sind, bis auf drei Städte mit über 20.000 Einwohner*innen. Die Kommunen haben wenig Geld, sind zur Haushaltskonsolidierung angehalten. Zudem seien ländliche Räume, so Benkenstein, oft nicht sonderlich attraktiv für Fachkräfte. Das schränke ihre Möglichkeiten sehr ein.

Gleichwohl habe sich die zuständige Wirtschaftsförderung des Landkreises Mansfeld-Südharz dafür entschieden, das Thema Mobilität fest zu verankern: In der ihr zugehörigen Standortentwicklungsgesellschaft gibt es nun drei feste (volle) Projektstellen, je eine für Wertschöpfung, für Energie und für Mobilität & Logistik. Diese „Institutionalisierung“ des Themas Mobilität in öffentlichen Einrichtungen hält Benkenstein für eine entscheidende Voraussetzung, um Projekte wie die geplanten Mobilitätsstationen in langfristig angelegte Strategien einzubetten und gründlich zu entwickeln.

Auch Alexander Bock, im bayerischen Landratsamt Wunsiedel für Mobilität zuständig, betrachtet die Personalressourcen als eine Schlüsselfrage: „2018 gab es in unserem Landkreis nur eine halbe Stelle für den gesamten ÖPNV, das war zu wenig.“ Dieses Defizit offenbarte sich umso deutlicher, als in der Verwaltung immer mehr Beschwerden und Eingaben bezüglich der ÖPNV-Angebote eingingen, zugleich viele Vorschläge und Ideen aus der Bevölkerung kamen, die zu bearbeiten waren. Also beschlossen die Entscheidungsträger*innen, der öffentlichen Mobilität mehr Gewicht zu geben und hierfür neue Stellen zu schaffen.

Faktor 4: Datendefizite beheben, Bedarfe erheben

Was erwarten die Einwohner*innen, wie sehen deren Mobilitätsbedürfnisse aus, sowohl beruflich als auch privat, fürs Pendeln, für Erledigungen, für Alltag und Freizeit – und wie sieht es mit den Tourist*innen aus – kurzum: Welche Bedarfe gibt es?

Diese Frage stellte sich auch den Mitarbeiter*innen des Landratsamts Wunsiedel, als sie mit der Hochschule Hof und weiteren Beteiligten über das geplante Kooperationsprojekt sprachen. Zunächst ging es darum, den Bestand an und die Zugänglichkeit zu relevanten sowie brauchbaren Verkehrsdaten zu prüfen. „In der Folge bereiteten wir uns dann darauf vor, die Datenlage deutlich zu verbessern“ erläutert Alexander Bock. Ziel war es, zu wissen, wieviel Fahrgäste pro Tag an einer bestimmten Haltestelle an den jeweiligen Werk- und Wochenendtagen ein- und aussteigen, wie viele von wo nach wo fahren.

Richard Göbel vom Institut für Informationssysteme ergänzt: „Nehmen wir zum Beispiel Einkäufe im Supermarkt: Ist dieser mit den Öffentlichen gut oder schlecht angebunden? Wir müssen also nicht nur wissen, wohin die Leute wollen, sondern auch warum. Was den Arbeitsort anbetrifft, ist das eindeutig, aber in vielen anderen Fällen gibt es große Freiheitsgrade.“ Diese Datendefizite, unter anderem bezüglich der Fahrtmotive, gelte es zu beseitigen, eben auch für die kleinen Landkreise.

Die größeren Städte der Region seien da mitunter besser aufgestellt, weil deren Verkehrsbetriebe mehr Kraft für entsprechende technische Installationen hätten, führt Göbel aus. So würden die zuständigen Stadtwerke Hof in den Bussen mittels Infrarot-Sensoren Fahrgäste zählen. Allerdings besäße in diesem Fall ein IT-Anbieter die Daten, die er nur gegen Bezahlung weitergebe. Das sei bedauerlich, erklärt Richard Göbel, denn es ließe sich viel aus diesen Daten ableiten, um Verkehrsangebote zu optimieren: „Zum Beispiel, um Haltestellen bedarfsgerecht zu verlegen oder neue zu installieren.“

Faktor 5: Bürger*innen einbeziehen, mitbestimmen lassen

Im Landkreis Hof, der die Stadt ringförmig umgibt, gab es diese Daten indes nicht. Sie müssen dann durch manuelle Zählungen erfasst werden. Zusammen mit Bewegungsdaten von Mobilfunkbetreiber*innen sowie Anbieter*innen von „Floating Car Data“ lässt sich dann die Nutzung des ÖPNV grob abschätzen. Diese Bewegungsdaten beschreiben tatsächliche Bewegungen, die sich nicht direkt einer Rufnummer beziehungsweise Person zuordnen lassen. Für die Analyse „Warum findet eine Bewegung statt?“ sind diese Daten ohnehin eine notwendige Voraussetzung. Zum Beispiel lassen sich aus Bewegungen zu Einkaufszentren die Motivationen in Abhängigkeit von Parametern wie Wegstrecke oder Fahrtdauer analysieren.

Für die Erfassung von Bewegungen existiert auch eine App, die im Rahmen des mFUND-Projekts MobiDig entstanden ist. Diese Fahrplaninformations-App (noch immer verfügbar für Apple iOS-Geräte) erfasste automatisch das Mobilitätsverhalten, wofür die bewusste Zustimmung der Teilnehmenden eingeholt wurde. Die daran beteiligten Bürger*innen förderten wichtige Erkenntnisse zutage, auch wenn sich die Verantwortlichen mehr Dateneingaben erhofft hatten.

Eine Hürde ergab sich hierbei bei den Meldeämtern. So sei ein Landkreis aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht an die eigenen Einwohner*innendaten herangekommen. In diesem Fall eröffnete das mFUND-Projekt AktMel einen Weg, um dennoch datenschutzkonform auf hilfreiche Bevölkerungsdaten zugreifen zu können.

Eine konkrete Bürger*innenbeteiligung mit digitalen Mitteln nahm sich auch das SmueR-Konsortium vor. Nachdem die Projektbeteiligten entschieden hatten, am Bahnhof der Stadt Eisleben einen Prototyp der projektierten, modular aufgebauten Mobilitätsstation zu errichten, ließen sie eine Online-Plattform entwickeln, auf der die möglichen Bestandteile der Station zu sehen sind. Die rund 20.000 Einwohner*innen sollten online zwei von fünf möglichen Modulen auswählen. Sie konnten damit wählen, ob die Station Radstellplätze, Abstellflächen für Sharing-Fahrzeuge oder andere Optionen enthalten sollte. Im Vorfeld dieser Mitbestimmungsplattform hatten Mitarbeiter*innen der Stadt und der Stadtentwicklung ausgewählte Bürger*innen befragt, um Erkenntnisse über die Bedarfe und für den Aufbau der Plattform zu gewinnen.

Faktor 6: Regionale Firmen und Einrichtungen einbeziehen, Wertschöpfung in der Region halten

Ebenso wichtig wie die Einbindung der Bürger*innen und ihrer konkreten Mobilitätsbedarfe sei es bei derart innovativen Projekten, die regionale Wirtschaft mit ins Boot zu holen, berichtet Benkenstein. Dazu zählen beispielsweise Handwerks- und Produktionsbetriebe oder auch Software-Entwickler*innen. Auch diese Erkenntnis verdeutlicht er am Beispiel des mFUND-Projekts SMueR und den Mobilitätsstationen, die in modularer Bauweise entwickelt und peu à peu in zahlreichen Orten zum Einsatz kommen sollen.

Die Mobilitätsstationen sehen auf den ersten Blick wie Bushaltestellen aus, bieten aber ein vielseitiges Komplettpaket für zahlreiche Mobilitätsarten und -informationen. Auf einer Grundgröße von 2,5 mal 2,5 Metern sind Ladestationen, Abstellplätze, mit Belegungssensoren ausgerüstete Parkplätze und vieles mehr möglich. Obligatorisch gehört zu jeder Station ein Grundmodul mit einem großen Display, das flexibel platziert werden kann, je nach Gegebenheit. Alle Bestandteile eines Moduls sollen auf einen Pkw-Trailer passen, sodass Stationen auch temporär aufgebaut werden oder wandern könnten, etwa bei Baustellen. Zudem sollen die Stationen mit Batterien und Akkus energetisch autark sein.

3D-Computergrafik einer Mobilitätsstation mit abgestellten Elektrorollern, einem Elektro-Auto neben einer Ladesäule sowie Monitoren und Überdachung

Abbildung: SMueR

Für die witterungsbeständigen Aufbauten der Module sei geplant, regionale Unternehmen einzubinden, etwa eine Aluminiumgießerei zur Fertigung einzelner Bestandteile. Solche Firmen könnten sich im Verlauf des Projekts neue Kompetenzen aufbauen. Damit würde die Wertschöpfung – auch nach Beendigung des Projekts, aber bei fortlaufenden Optionen zum Aufbau solcher Stationen – in der Region verbleiben, so Benkenstein.

Für die Aggregation von Mobilitätsdaten – aus einem spezifischen Datenökosystem wie der Mobilithek sowie aus weiteren Quellen – und die Benutzer*innenoberflächen von Anwendungen kommen gleichfalls regionale Dienstleister*innen zum Zug. Mit diesen Daten werden die Displays – die als ein Infotainment-System mit Touch-Screen funktionieren – in Echtzeit versorgt, beispielsweise zu Verspätungen, Ankunfts- oder Abfahrtszeiten des ÖPNV oder zur Verfügbarkeit von Sharing-Fahrzeugen. Zu diesem Zweck ist auch die regionale Verkehrsgesellschaft eingebunden. Über QR-Codes auf den Displays sollen sich diese Informationen auch direkt auf Smartphones laden lassen.

Darüber hinaus sind Unternehmen aus dem Sektor der erneuerbaren Energien am Projekt beteiligt. Diese Breite an Partner*innen ist gewollt, um den Kommunen den Weg zu den neuartigen, datengestützten Mobilitätsstationen möglichst gut zu ebnen, betont Benkenstein. Er führt weiter aus: „Den Kommunen geben wir einen digitalen, audiovisuellen Konfigurator an die Hand, damit sie im ersten Schritt selbst bestimmen können, was die Station beinhalten soll. Ist zum Beispiel ein Radweg vorhanden und an der Station gelegen, dann bräuchte diese Station auf jeden Fall Radstellplätze – bei anderen wäre dies vielleicht weniger oder gar nicht der Fall.“

Dieser flexible „Konfigurator“ – als offen programmierter und als Webseite nutzbarer Web-Service angelegt – arbeitet mit öffentlich zugänglichen Daten und berücksichtigt unter anderem Einwohner*innenstrukturen und Wohndaten. Zudem sollen die Nutzer*innen (aus den Kommunen) auf einer Webseite eigene Informationen eingeben können, woraufhin das System auf Basis dieser Daten und Angaben vorschlägt, wie die entsprechende Mobilitätsstation aufgebaut sein und was sie enthalten könnte.

In diesem Konzept stecke die Erkenntnis, Fördergelder möglichst nachhaltig zu verwenden, erklärt Benkenstein: „Wir hatten eine vorausgegangene Projektidee mit dem Namen ‚Dorfauto‘, bei der es um den Aufbau eines Carsharing-Fuhrparks ging. Hätten wir uns darauf beschränkt, für die insgesamt 33 Fahrzeuge Carsharing-Stationen zu bauen, wären 100 Prozent der Fördermittel aus unserer Region dorthin abgeflossen – doch es wäre nicht sicher, dass es nach Ende der Projektlaufzeit fortgeführt würde, weil den Kommunen das Geld fehlen würde.“ Zu den modularen und flexibel auf- und abbaubaren Mobilitätsstationen gehöre indes auch ein Konzept für mehrere Beteiligte und einen fortlaufenden Betrieb.

Faktor 7: Regionale Verkehrsbetriebe als wichtigste Partner gut einbinden

Eine zentrale Rolle bei neuen Mobilitätskonzepten spielen für die Kommunen die regionalen Verkehrsbetriebe. Sie müssen bei Neuerungen eingebunden werden. Doch die Unternehmen betonen stets, dass sie sich als Wirtschaftsbetriebe tragen müssen, die konkrete Aufträge zu erfüllen und zugleich nur beschränkte Möglichkeiten haben. Für Änderungen müssten sie also Ressourcen und Finanzmittel haben oder bekommen – vor allem aber die Aussicht, dass sich die Maßnahmen auf absehbare Zeit auch rechnen.

Das betraf im Fall des mFUND-Projekts MobiDig im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel den Umgang mit Daten und die erwünschten Fahrleistungen, wie Landratsamt-Mitarbeiter Alexander Bock berichtet: „Gewisse Daten können lokale Verkehrsbetriebe nicht erheben, was an den strengen bayerischen ÖPNV-Verordnungen und -Gesetzen liegt.“ Konkret ging es darum, einen Feldversuch mit Rufbussen durchzuführen, bei dem Kleinbusse nur bei Bedarf fahren sollten. Alexander Bock: „So etwas gab es in unserem Landkreis noch nicht, das war eine Premiere.“ Doch die Förderrichtlinien für den öffentlichen Verkehr hätten es schlicht nicht vorgesehen, dass die Fahrleistung von Busunternehmen derart beschnitten oder flexibilisiert würde, daher musste hierfür eine Erlaubnis beantragt werden, was eine gewisse Zeit in Anspruch nahm.

Zudem sei es nicht leicht gewesen, das Verkehrsunternehmen von diesem bedarfsorientierten Konzept zu überzeugen. Die Verkehrsbetriebe seien seit jeher gefordert, sehr hart zu kalkulieren und seien, in Folge der Energiekrise, momentan extrem gebeutelt. Bock resümiert: „Es brauchte viel Anlaufzeit und viel Geduld, auch mehr Vorbereitungszeit, als wir dachten. Aber jetzt haben ein gut gewachsenes Netzwerk und Angebot an Rufbussen, wobei dieser bedarfsgesteuerte Verkehr für jeden Landkreis unterschiedlich ist.“

Im Grunde, so Bock, hätte das Projekt aufgrund der erhobenen Daten zu den Bedarfen aber auch gezeigt, dass es sinnvoll wäre, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen und den primären Fokus auf den On-Demand-Verkehr zu legen und dann den Linienverkehr daran anzupassen.

Lesen Sie hierzu auch auf Emmett den Beitrag „Innovationsprozesse für zukünftige Mobilität in Kommunen – und wie sie gelingen können“, die Dokumentation der gleichnamigen Podiumsdiskussion der mFUND-Begleitforschung, in der es unter anderem um die Umsetzung von On-Demand-Verkehren in ländlichen Räumen und das diesbezügliche mFUND-Projekt OSLO geht.

Faktor 8: Innovationen in die Kommunen hineintragen

Als weiterer Faktor ist zu nennen, dass in solchen Mobilitätsprojekten die Verwaltungen und die Bürger*innen auch in der Phase der Realisierung einzubeziehen sind. Hierfür sind mitunter innovative Wege nötig, um die Vision schmackhaft zu machen beziehungsweise eine Phase der Gewöhnung zu ermöglichen.

Ein gutes Beispiel dafür ist das mFUND-Projekt Kombinom 2 („Simulation als Entscheidungsunterstützungssystem zur Einführung autonomer, kombinierter Shuttles im ländlichen Raum“). In diesem Projekt entwickelte das Team eine aufwendige Simulation, um im virtuellen Raum zu demonstrieren, wie der bedarfsorientierte Transportverkehr mithilfe autonom fahrender Shuttles in der Realität der ländlichen Räume funktionieren könnte. In der 3-D-Anwendung bewegen sich die Fahrzeuge – wie in einer Modellbahnanlage – in der virtuellen Stadt automatisch entlang von Straßen und Gebäuden.

Sie treffen dort auf andere virtuelle Verkehrsteilnehmende oder Gegebenheiten wie Einbahnstraßen oder Baustellen. Die Fahrzeuge bewegen sich auf der Basis einer für jeden Auftrag aktuell errechneten, optimalen Route – von der Software automatisiert gesteuert. Mit dieser als Echtzeit-Animation ablaufenden Simulation von Bedarfsfahrten können Kommunen erproben, ob ein Shuttle-Service für sie infrage kommt und welche Herausforderungen gegebenenfalls noch zu meistern wären.

Screenshot einer Webseite mit Abbildungen und Texten zum autonom fahrenden Transportshuttle

Abbildung: Kombinom

Screenshot mit einer Übersichtskarte einer ländlichen Region, in der sowohl fFahrzeuge, als auch einzelne Pakete sowie Lagerungsorte für Pakete grafisch eingezeichnet sind

Abbildung: Kombinom

Für Projektmitarbeiter Johannes Staritz sprechen viele Argumente für dieses Vorgehen: „Die digitale Simulation stellt das Ganze bildlich dar und schließt damit eine Lücke zwischen reiner Planung und teurem Pilot-/Feldversuch.“ Sie richte sich direkt an öffentliche Träger*innen und Kommunen und fungiere primär als ein „Entscheidungsunterstützungssystem“.

Die Kombinom-Shuttles sind für den gemeinsamen Transport von Menschen und kleineren Lieferungen angelegt, etwa von Paketen und Päckchen. Allerdings gab es auch Anregungen, auch oder vielleicht nur Güter des täglichen Bedarfs zu transportieren. So oder so sei das datenbasierte und bedarfsgesteuerte Routing der einzelnen Shuttle-Fahrten der Schlüssel zum Nutzen des Projekts, denn nur damit ließen sich Leerfahrten vermeiden. Tatsächlich gebe es bereits Anfragen, auch aus kleineren Kommunen, die Interesse an einem kombinierten On-Demand-Shuttle-Service bekunden, berichtet Staritz.

Wichtige Erkenntnisse aus den Projekten

Johannes Staritz, Kombinom 2: „Man braucht in den verschiedenen Institutionen, auch in den öffentlichen Behörden, Leute, die sich auf neue Ideen einlassen, die bereit sind, in solchen Projekten mitzuwirken und diese zu unterstützen, die das Mindset der Veränderungsbereitschaft haben. Ganz wichtig ist dabei, schon früh in dieser Richtung zu netzwerken, geeignete Ansprechpartner zu identifizieren und mit ihnen eng zusammenzuarbeiten. Solche Leute sind Supporter des Projekts in ihren Einrichtungen und in Richtung Öffentlichkeit.“

Eric Benkenstein, Standortentwicklungsgesellschaft Mansfeld-Südharz: „Ganz wichtig für solche Projekte ist es, Einrichtungen für Forschung und Entwicklung (F&E) in der Region zu haben. Dort gibt es Erfahrungen mit Anträgen und Projekten mit Drittmitteln. Ebenso wichtig ist, vor Ort Know-how aufzubauen, Ressourcen aufzustocken. Vor-Ort-Anbieter können durch das Projekt ihr Portfolio diversifizieren und müssen nicht mehr nur für den einen großen Auftraggeber produzieren, etwa aus der Autoindustrie.“

Alexander Bock, Landratsamt Wunsiedel: „Ich rate dazu, viel Vorarbeit zu leisten, viele Daten zu generieren. Zudem gilt es, viel zu kommunizieren. Die Universitäten, die Forscher*innen arbeiten anders als Behörden, und sie werden die Arbeitsweisen der Verwaltungen nicht über Nacht ändern können. Der ÖPNV ist ein zähes Metier, das verlangt allen viel Geduld ab.“

Richard Göbel, Institut für Informationssysteme: „Im Verlauf des Projekts kamen häufiger Anforderungen, was wir alles hätten umsetzen mögen, doch vieles davon können wir als Hochschule, können Universitäten generell nicht, da in solchen Forschungsprojekten nur Demonstratoren und keine Produkte entwickelt werden. Für die Entwicklung und die Pflege solcher Produkte braucht man Wirtschaftsunternehmen an Bord, um aus den Projektergebnissen mehr zu machen. Wir hatten in unserem Projekt keine Industriebeteiligung – in Zukunft werden wir das anders machen.“

Zusammenfassung

Geht es um den Mobilitätswandel in ländlichen Regionen, ist ein Dreiklang aus Verwaltungen (Mobilität und Standortentwicklung), Wissenschaft (Forschung und Entwicklung) sowie den ansässigen Verkehrsbetrieben (plus Wirtschaftsbetrieben im Metier Verkehr/Mobilität) gefordert. Der Erfolg wird oft an Personen und deren „Mindset“ hängen – aber es fängt fast immer damit an, (neue) Personalstellen einzurichten und diese zugleich mit einem Ziel, einer Strategie zu verknüpfen.

Ländliche Kommunen sind gut beraten, die Bedarfe der Bevölkerung sehr gründlich zu ermitteln, dafür auch Methoden der Bürger*innenbeteiligung zu nutzen und mit den gewonnenen Daten transparent und solvent umzugehen.

Die geografischen Wege mögen im Ländlichen oft länger sein als in Städten und urbanen Räumen, umso wichtiger ist es, die operativen Wege einer Zusammenarbeit in Projekten kurz zu halten. Das heißt, viel miteinander zu kommunizieren, entsprechende Mitteilungs- und Austauschstrukturen einzuplanen und zu institutionalisieren sowie Geduld und Beharrlichkeit an den Tag zu legen.

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