Bild: DLR

Kreuzung mit Fahrzeugen, die von grünen und türkisen Gittern umgeben sind, was die Kategorisierung durch intelligente Verkehrskameras darstellen soll

AIM Braunschweig: Fahrassistenzsysteme im Sicherheitstest

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Kirsten Lange

AIM Braunschweig: Fahrassistenzsysteme im Sicherheitstest

Die Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) umfasst eine Teststrecke und Forschungskreuzungen in der Braunschweiger Innenstadt sowie Simulationsanlagen im Labor. Der Testfeldbetreiber, das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR), will damit das Verhalten der Menschen im Verkehr besser verstehen, sichere Fahrerassistenzsysteme entwickeln und automatisiertes Fahren Schritt für Schritt ermöglichen.

Die Großforschungsanlage in Braunschweig
Kartenausschnitt von Braunschweig mit Markierungen von Erfassungstechnik und Road-Side-Units im Bereich des Innenstadtrings

Bilder: DLR

Einmal durch das Braunschweiger Zentrum, entlang des Innenstadtrings, führt seit 2014 eine Referenz-Strecke für automatisiertes Fahren und Fahrzeug-zu-X-Kommunikation (oft englisch: Vehicle-to-x, V2X). 36 Ampelkreuzungen sind mit entsprechender Kommunikationstechnik ausgestattet. Auf dem Gelände des Instituts für Verkehrssystemtechnik des DLR können Forschende Simulationsanlagen und Labore nutzen.

Seit Anfang 2020 ist die AIM zentraler Bestandteil des überregionalen digitalen Testfelds Niedersachsen.

Straßenkarte des digitalen Testfelds Niedersachsen mit Markierung der AIM in Braunschweig

Karte: DLR

Auf einer Strecke von 280 Kilometern im Dreieck Hannover–Hildesheim/Salzgitter–Braunschweig/Wolfsburg beobachtet das DLR den Verkehr auf Autobahnen sowie Bundes- und Landstraßen.
Die Infrastruktur

Zur AIM gehören neben der Teststrecke durch die Innenstadt zwei Forschungskreuzungen sowie verschiedene Simulatoren und spezielle Labore. Einige Beispiele:

Testfeldstrecke am Braunschweiger Innenstadtring

Auf der Fahrzeug-zu-X-Referenzstrecke können Entwickler*innen und Forscher*innen testen, mit welcher Übertragungstechnik automatisiert fahrende Fahrzeuge am besten mit der Verkehrsinfrastruktur kommunizieren. 36 Ampelkreuzungen sind mit sogenannten Roadside-Units RSU) ausgestattet. Die Technik ermöglicht es, dass die Fahrzeuge Informationen mit den Ampeln und mit anderen Fahrzeugen austauschen.

Forschungskreuzung

Eine besondere Bedeutung für das DLR hat die sogenannte Forschungskreuzung am Innenstadtring. Auf der vierspurigen Kreuzung sind täglich mehr als 30.000 Fahrzeuge unterwegs. Sensoren in Radaranlagen und in Kameras erfassen Tag und Nacht die Verkehrssituation. Die Wissenschaftler*innen werten die Daten aus, um das Verhalten von Autofahrer*innen, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen besser verstehen und im besten Fall vorhersagen zu können.

Fahrzeuge auf einer Kreuzung, die mit Road-Side-Units und Verkehrskameras ausgestattet ist

Foto: DLR

Die Forschungskreuzung in der Braunschweiger Innenstadt ist mit Road-Side-Units und Erfassungstechnik (Verkehrskameras, Sensoren) ausgestattet.

Forschungsbahnübergang

Kritische Situationen zwischen Autofahrer*innen, Radler*innen, Fußgänger*innen und Zügen haben die Wissenschaftler*innen am Forschungsbahnübergang im nördlichen Stadtteil Bienrode im Blick. Auch hier sind Sensoren in Radaranlagen, Kameras und Laserscanner im Einsatz.

MoSAIC-Labor

Mithilfe der Simulationsanlage im MoSAIC-Labor (Modular and Scalable Application platform for ITS Components) können Forschungsinstitute und Unternehmen Fahrerassistenzsysteme entwickeln und testen. Außerdem lässt sich in dem Labor erforschen, wie sich verschiedene Verkehrsteilnehmer*innen bewegen und untereinander verhalten: Dafür stehen Fahrzeugsimulatoren, Fußgänger*innensimulatoren und ein Fahrradsimulator zur Verfügung.

Der Testfeldbetreiber

Betreiber des Testfelds ist das Institut für Verkehrssystemtechnik des DLR. 2009 hat es in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Braunschweig mit den Arbeiten an der Forschungsplattform AIM begonnen.

Gefördert wurde der Aufbau durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit 8,7 Millionen Euro (über die Helmholtz-Gemeinschaft), das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit 5,25 Millionen Euro und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit 1,25 Millionen Euro.

Konzipiert ist die AIM als eine Großforschungsanlage. Großforschung bezeichnet Wissenschaft, die außerhalb der Universitäten in einer quasi-industriellen Form betrieben wird. Für AIM bedeutet das unter anderem, dass der Betreiber DLR nach dem Aufbau des Testfelds mindestens zehn Jahre lang sicherstellt, dass die Großforschungsanlage weiterläuft und für Projekte genutzt wird – für DLR-eigene Projekte sowie für Projekte anderer Forschungseinrichtungen und Unternehmen.

Wenn Sie auf der oben eingebetteten Karte auf eines der Testfelder klicken, und dort den Link „Mehr Informationen“ sehen, gelangen Sie darüber zu einem Beitrag über das jeweilige Testfeld. Im Fokus stehen darin die dort vorhandene Infrastruktur und Nutzung von Technologien sowie die laufenden Forschungsprojekte. Nach und nach werden wir Ihnen so die derzeitigen deutschen Testfelder für automatisiertes und vernetztes Fahren vorstellen.

Diese Karte der digitalen Testfelder in Deutschland erhebt noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ihnen fehlt ein Testfeld oder ist ein Fehler aufgefallen? Melden Sie sich bei uns! Per E-Mail an redaktion@emmett.io oder via LinkedIn oder Twitter.

Die Forschungsziele

Die AIM soll wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt in die Praxis überführen und so automatisiertes Fahren ermöglichen.

Daten sammeln und Mobilität verstehen:

Die Forscher*innen wollen verstehen, wie Menschen sich im Verkehr verhalten. Radarsensoren und Kameras erfassen täglich die Verkehrssituation auf Braunschweigs Testfeldstrecke: Wie bewegen sich Autofahrer*innen, Radfahrer*innen, Fußgänger*innen an und auf Kreuzungen? Welche Gefahrensituationen gibt es? Wo gab es einen (Beinahe-)Unfall und warum?

Fahrerassistenzsysteme mit Daten füttern und in Simulationen testen:

Mit den gewonnenen Daten können die Fahrerassistenzsysteme selbstfahrender Autos gefüttert werden. Faktoren, die in der Vergangenheit zu Unfällen führten, könnten somit bei der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen berücksichtigt werden, heißt es beim DLR. Diese Systeme können Wissenschaftler*innen und Entwickler*innen zunächst in Simulationsanlagen des DLR testen.

Systeme auf der Straße testen:

Anschließend werden die (teil-)automatisiert fahrenden Fahrzeuge zunächst auf einem DLR-Testgelände und erst danach auf der Straße getestet – stets mit Sicherheitsfahrer*innen an Bord.

Daten bereitstellen:

Daten aus dem Testfeld stellt das DLR-Institut kostenfrei für wissenschaftliche, nicht kommerzielle Zwecke zur Verfügung. Universitäten und Forschungseinrichtungen unterschreiben einen Lizenzvertrag und erhalten dann unter anderem eine hochgenaue Karte, Fahrzeug-zu-X-Kommunikationsdaten – also beispielsweise Daten, die bei der Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Infrastruktur entstehen – und Kamera-Aufnahmen, die sie für ihr Projekt benötigen.

Ein Auto mit Aufklebern des DLR und des digitalen Testfelds Niedersachsen gewährt beim Rechtsabbiegen drei Fahrradfahrer*innen die Vorfahrt

Foto: DLR

Das DLR testet auch die Kommunikation mit sogenannten VRUs (Vulnerable Road Users, deutsch: ungeschützte Verkehrsteilnehmer*innen), das heißt Menschen, die nicht im Auto unterwegs sind.
Die Forschungsprojekte

Auf dem Testfeld erforschen Unternehmen und Institute in verschiedenen Projekten sicheres automatisiertes Fahren. Außerdem untersuchen sie, wie Fahrerassistenzsysteme Mobilität generell sicherer gestalten können.

Im Projekt XCYCLE untersuchte das DLR-Institut für Verkehrssysteme beispielsweise zusammen mit verschiedenen Universitäten, dem Fahrzeughersteller Volvo und weiteren Unternehmen, wie sich Unfälle zwischen rechtsabbiegenden Lastwagen und Radfahrer*innen mit smarter Kommunikationstechnik verhindern lassen. Das Team von XCYCLE entwickelte und testete drei Gruppen von Sicherheitssystemen: Erkennungssysteme, die mit Sensoren arbeiten, Funk-Warnsysteme für Lkw-Fahrer*innen und Radfahrer*innen sowie Algorithmen für Ampeln. Die Forscher*innen entwickelten unter anderem ein im Fahrzeug installiertes System, das Lkw-Fahrer*innen vor Radfahrer*innen warnt, die sich im toten Winkel des Lastwagens befinden. Außerdem entstand im Rahmen des Projekts ein spezieller Algorithmus für eine grüne Welle für Radfahrer*innen: Der Algorithmus ermöglicht es ihnen, ohne anhalten zu müssen über mehrere Ampelkreuzungen zu fahren.

Im mFUND-Projekt SIRENE entwickelten Forscher*innen unter anderem in Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr Braunschweig Lösungen, wie Sicherheits- und Rettungskräfte sicherer und schneller durch den Verkehr kommen. Sie entwarfen ein System mit zwei Komponenten: einem Navigationssystem speziell für Einsatzfahrzeuge, das kurzfristige Verkehrsänderungen in die Routenplanung einbezieht und auf diese Weise die Route zwischen dem aktuellen Standort des Einsatzfahrzeugs und dem Einsatzort optimal berechnet, sowie einer Ampelschaltung, die Einsatzfahrzeugen Grün gibt. Die Fahrzeuge melden sich zu diesem Zweck beim Heranfahren über Mobilfunk oder WLAN bei den Ampeln an, die mit entsprechender Kommunikationstechnik ausgerüstet sind.

Weitere aktuelle und abgeschlossene Projekte finden sich unter anderem auf der Webseite des Instituts für Verkehrssysteme des DLR.

Hier gelangen Sie direkt zu weiteren Artikeln über Digitale Testfelder in Deutschland auf Emmett:

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