Fahren will gelernt sein. Das gilt auch für autonome Fahrzeuge. Doch wer denkt, es dauere noch lange, bis automatisierte PKWs, LKWs, Straßenbahnen oder Busse im Alltag unterwegs sind, der irrt. Deutschlandweit gibt es derzeit mehr als ein Dutzend Testfelder, alle in vorhandene Straßen- und Verkehrsnetze integriert.
Hier müssen „die Autonomen“ beweisen, ob und wie sie mit typischen Verkehrssituationen zurechtkommen. Zudem geht es auf den Testfeldern auch um die Vernetzung und Fernsteuerung und die automatisierte Abstimmung aller Verkehrsträger und -teilnehmer*innen.
Dabei prüfen Ingenieur*innen das Zusammenspiel der vielen technischen Systeme in kritischen Momenten, dabei sammeln Forscher*innen unter Realbedingungen wertvolle Daten und Erkenntnisse. Das komplexe Zusammenspiel motorisierter und nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer*innen bleibt eine große Herausforderung für autonome Systeme, nicht nur aber insbesondere für autonome Fahrzeuge.
Entsprechend nehmen Anzahl und Größe der Testfelder in Deutschland
zu. So kamen seit 2012 nach und nach weitere 19 Testfelder in
fast allen Bundesländern hinzu, sowohl in innerstädtischen Räumen als
auch in ländlichen Regionen.
Dass diese Probefahrten unter Realbedingungen heute möglich sind, geht auf jahrelange Forschung und Entwicklung automatisierter Verkehrs- und Fahrzeugsysteme zurück. Die rasanten Fortschritte ermöglichen heute komplexe Anwendungsszenarien, die weit über den individuellen PKW hinausgehen.
Rückgrat des autonomen Fahrens sind digitale Technologien sowie rasend schnelle Übertragungen der digitalen Daten von Fahrzeugen zu Signal- und Steuerungsanlagen am Rand der Strecke und zu anderen Fahrzeugen. Das sollte möglichst in Echtzeit geschehen. Aufgrund dieses hohen Grades an Digitalisierung auf fast allen Ebenen lässt sich von digitalen Testfeldern sprechen.
Auf den derzeit 20 digitalen Testfeldern Deutschlands erforschen Expert*innen die Automatisierung und Optimierung aller Verkehrsformen, vom Straßengüterverkehr über den motorisierten und nicht-motorisierten Individualverkehr bis zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Diese Karte der digitalen Testfelder in Deutschland erhebt noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ihnen fehlt ein Testfeld oder ist ein Fehler aufgefallen? Melden Sie sich bei uns! Per E-Mail an redaktion@emmett.io oder via LinkedIn oder Twitter.
Neben der Kommunikation zwischen Verkehrsträgern erproben die Testfeldforscher*innen dabei auch intelligente Verkehrsmanagementsysteme. Dazu gehört unter anderem die Verkehrssteuerung durch Ampeln, weitere Signalanlagen und Leitsysteme, die auf Echtzeitdaten von Fahrzeugen zugreifen und reagieren können. Solche intelligenten Verkehrssysteme können unsere Mobilität nachhaltig verändern.
Expert*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft verbinden mit automatisiertem und teil-automatisiertem Verkehr vielfältige Verbesserungen. So könnte der echtzeitgesteuerte Verkehr effizienter fließen sowie aufgrund weniger Stop-and-Go-Verkehrs und Staus die Abgas- und Lärm-Emissionen verringern. Insbesondere im urbanen Raum könnten intelligente Verkehrssysteme zudem die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer*innen steigern. Diese Aussage bezieht sich auf die Erkenntnis, dass laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes die Ursache für etwa 90 Prozent aller Verkehrsunfälle in menschlichem Versagen liegt.
Einem gewissen Anteil der so verursachten Unfälle würden Assistenztechnologien begegnen, etwa intelligente Notbremsassistenten, Unfalldatenschreiber oder eine Müdigkeitserkennung. Diese und weitere Fahrassistenzsysteme – insgesamt 30 – sind in der Europäischen Union (EU) für Neuwagen seit der 2019 in Kraft getretenen Verordnung vorgeschrieben.
Für autonome Fahrzeuge sind solche Technologien aber weit mehr als eine Assistenz, sie sind Teil einer komplexen, hochautomatisierten Fahrzeugsteuerung. Daher ist es notwendig, dass sie zuverlässig und praxisfähig sind. Dafür braucht es ebenso gründliche wie umfangreiche Tests unter realen Verkehrsbedingungen.
Damit die autonomen Fahrzeuge überhaupt im realen Verkehr rollen können, mussten die rechtlichen Grundlagen dafür angepasst werden. Deshalb änderte der europäische beziehungsweise der deutsche Gesetzgeber in den vergangenen Jahren die Straßenverkehrsgesetze. So wurde unter anderem das seit 1968 geltende, internationale Wiener Übereinkommen – ein völkerrechtlicher Vertrag – geändert, damit autonome Fahrzeuge zukünftig generell zulässig sind.
Die im März 2016 in Kraft getretene Änderung besagt, dass nun Fahrzeugsysteme erlaubt sind, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs haben. Gemeint sind damit technische Systeme, wie Fahrerassistenzsysteme oder automatisierte Fahrfunktionen, die den Fahrer beziehungsweise die Fahrerin unterstützen. Bedingung ist allerdings, dass die menschlichen Fahrer*innen jederzeit die Steuerung übernehmen können. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen vom Februar 2020 wurden jedoch bisher keine Fahrzeuge mit diesen Funktionen für den Straßenverkehr zugelassen.
Auf den digitalen Testfeldern erproben Firmen und Forscher*innen
bislang einzelne automatisierte Bestandteile. Fahrzeugführer*innen sind
stets an Bord. Die Zulassung solcher Fahrzeuge ist in der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt und an gewisse
Auflagen geknüpft. Gemäß StVZO können Hersteller autonomer Fahrzeuge
Einzelgenehmigungen erhalten, allerdings nur, um die Autos im realen
Straßenverkehr erproben zu können. Vor Ort, etwa für die jeweiligen
Testfelder, entscheiden die Bundesländer über die Zulassungen.
Auf den Testfeldern im Realverkehr zeigt sich einerseits, welche Hürden noch überwunden werden müssen, bis autonome Fahrzeuge fester Bestandteil des Verkehrs sein können. Andererseits geben Testverläufe und Testergebnisse auch aufschlussreiche Einblicke, ob und wie intelligente Verkehrssysteme funktionieren und wie Mobilität zukünftig aussehen könnte.
Diese Einblicke wollen wir vertiefen. Wenn Sie auf der oben eingebetteten der Karte auf eines der Testfelder klicken, und dort den Link „Mehr Informationen“ sehen, gelangen Sie darüber zu einem Beitrag über das jeweilige Testfeld. Im Fokus stehen darin die dort vorhandene Infrastruktur und Nutzung von Technologien sowie die laufenden Forschungsprojekte. Nach und nach werden wir Ihnen so die derzeitigen deutschen Testfelder für autonomes und vernetztes Fahren vorstellen.
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