Viele reden vom autonomen Fahren – niemand weiß, ob und wann es auf öffentlichen Straßen Einzug hält. Die Vorstufe, das automatisierte Fahren, wird bereits im normalen Verkehr erprobt. Das erfordert spezielle Fahrzeuge und eine Infrastruktur, die permanente Datenverarbeitung ermöglicht. Unsere Infografik gibt einen Überblick.
Wer noch vor 15 Jahren von Verkehrsvernetzung sprach, meinte eine Park-and-ride-Anlage oder einen Flughafen mit Anschluss an die Bahn. Wer heutzutage davon spricht, meint V2X: Fahrzeuge, die mit ihrer Umwelt kommunizieren, also mit anderen Fahrzeugen, Verkehrsteilnehmer*innen, mobilen Endgeräten oder der Verkehrsinfrastruktur. Hinter der Abkürzung steht der Fachbegriff „Vehicle-to-everything“. Er zeigt, dass potenziell alles Teil der Vernetzung sein kann.
Auf V2X ruhen große Hoffnungen: Es soll automatisierte Fahrfunktionen in Autos weiter verbessern, den Verkehr sicherer und flüssiger machen. Schließlich soll es autonomes Fahren ermöglichen. Die Entwicklung verheißt damit weniger Verkehr, der noch dazu reibungslos und unfallfrei abläuft, und könnte für Fahrer*innen bedeuten, dass sie sich irgendwann nicht mehr auf die Straße konzentrieren müssen. Im ÖPNV sind Dienste wie fahrerlose Shuttles angedacht.
Das Ringen um die Digitalisierung in Deutschland wurde vor einigen Jahren auf die Formel „5G an jeder Milchkanne“ gebracht. V2X benötigt Sensoren und Übertragungstechnik – in jedem Fahrzeug, an jeder Kreuzung und darüber hinaus. Auch den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G sehen manche als Voraussetzung an. Damit geht die Verkehrsvernetzung Hand in Hand mit dem Konzept der technifizierten Smart City, in der vernetzte Sensoren so allgegenwärtig sind, dass deren Bewohner*innen praktisch im Internet der Dinge leben.
Emmett hat die wichtigsten Bestandteile, Anwendungen und Zusammenhänge des vernetzten Fahrens in der Smart City in einer Infografik mit acht Aspekten zusammengestellt.
[Die vollständige Grafik finden Sie hier als PDF zum Download. Sie steht Ihnen unter der offenen Creative-Commons-Lizenz CC-BY SA 4.0 zum Nachnutzen zur Verfügung. ]
Das automatisierte und vernetzte Fahren beginnt im Fahrzeug. Schon heute verfügen moderne Autos über Funktionen wie Auffahrschutz, Einparkhilfe, Spurhalteassistent und Überwachung des toten Winkels. Dafür scannen sie ihre Umgebung mit Kameras, Radar und Lidar (eine Radar-ähnliche, optische Messtechnologie, etwa für Abstand und Geschwindigkeit).
Weitere Sensoren erfassen, wo sich das Auto befindet, wie voll der Tank beziehungsweise der Akku oder wie der Luftdruck der Reifen ist. Zudem zeichnen sie beispielsweise auch auf, wie die Person am Steuer fährt, wie aufmerksam sie ist oder – je nach Privatsphäre-Einstellungen – welche Kontakte sie in ihrem Handy gespeichert hat.
Die Daten, die solche Fahrzeuge sammeln, können also durchaus sensible Informationen enthalten und Rückschlüsse auf die Fahrer*innen sowie intime Details aus ihrem Leben zulassen. Daher sind sie besonders schützenswert. Dem müssen die herstellenden oder Dienste betreibenden Firmen durch Datenschutz beziehungsweise Anonymisierung Rechnung tragen. Zudem sollten die Personen aber auch erkennen und gegebenenfalls verhindern können, dass ihre Daten erfasst und weitergegeben werden.
Die Road-Side-Unit (RSU) ist die Basisstation der Verkehrsvernetzung, in der Regel kastenförmig mit Antennen, einem Router nicht unähnlich. Sie ist ermöglicht die Kommunikation des Fahrzeugs mit der Infrastruktur, aber auch andere Arten von V2X (siehe unten: V2X-Kommunikation). Das kann, vereinfacht dargestellt, auf zwei verschiedene Weisen geschehen: via WLAN oder Mobilfunk.
Außerdem können die RSUs Verbindungen zu Cloud-Servern herstellen oder einfache Rechenvorgänge selbst übernehmen (siehe unten: Edge-Computing). Sie befinden sich etwa alle 100 bis 300 Meter entlang der Straßen und sind an Laternen, Ampeln, anderen Masten oder Bauwerken angebracht.
Bisher gibt es zwei unterschiedliche Konzepte, wie Daten weiterverarbeitet werden: entweder in einer Cloud, also auf einem zentralen Server, oder in der Edge, also dezentral, am Rand (englisch: Edge) eines Netzwerks.
Für das Cloud-Computing werden die Daten zunächst an den Server geschickt. Das hat den Vorteil, dass die Speicher- und Rechenkapazität des Servers größer ist als die in Fahrzeugen oder Infrastrukturgeräten. Die Daten werden dann allerdings an einem Ort gespeichert, der sich der Kontrolle der Fahrer*innen entzieht.
Institutionen, die Zugriff auf den Server haben und die Daten auswerten, könnten beispielsweise sein:
- Stadtverwaltungen, die sie in ihre Verkehrsplanung einbeziehen,
- Versicherungen, die damit ihre sogenannten Telematik-Tarife berechnen, oder
- Hersteller und Werkstätten, die vorausschauend Wartungstermine anbieten oder individuelle Werbung verschicken.
Beim Edge-Computing werden die Daten noch im Auto oder in der RSU verarbeitet. Das geht deutlich schneller und kann sicherer gestaltet werden, weil die Daten nicht an einen Server weitergeleitet werden.
Zur Datenverarbeitung zählen im Zusammenhang mit dem vernetzten Fahren unter anderem die Speicherung, Veränderung, Übermittlung, Sperrung und Löschung von verkehrsrelevanten Daten – stets mit dem Ziel, Erkenntnisse aus Mustern in den Daten zu gewinnen oder eine Entscheidung zu erzeugen. In automatisierten Entscheidungssystemen kommen Algorithmen oder Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz.
Ein Algorithmus ist starr, da es sich im Grunde um Abläufe nach einem Wenn-dann-Schema handelt. Der Algorithmus für eine Ampelschaltung kann etwa lauten: „Wenn x Sekunden vergangen oder y Fahrzeuge über die Ampel gefahren sind, springt die Ampel um.“ Die Entscheidung kann aber auch durch ein KI-System getroffen werden, das beispielsweise gelernt hat, welche Zeit zwischen Grün und Rot liegen muss, damit der Verkehr an einem bestimmten Ort bei einer bestimmten Verkehrsdichte besonders flüssig rollt. Sie kann damit dynamischer auf unterschiedliche Verkehrssituationen reagieren.
Vernetzte Fahrzeuge können, wie bereits beschrieben, mit unterschiedlichen Akteur*innen interagieren.
Es gibt folgende Differenzierungen:
- V2V (vehicle-to-vehicle): Fahrzeuge können einander warnen und ihre Fahrmanöver untereinander abstimmen
- V2I (vehicle-to-infrastructure): Fahrzeuge können via RSU mit Ampeln und smarten Verkehrsschildern kommunizieren
- V2P (vehicle-to-pedestrian): Fahrzeuge und Fußgänger*innen können sich gegenseitig über ihren Standort informieren und vor Gefahren warnen
- V2D (vehicle-to-device): Fahrzeuge können mit elektronischen Geräten kommunizieren, etwa zum Öffnen von Sharing-Fahrzeugen
- V2X (vehicle-to-everything): Abkürzung für alle Möglichkeiten der Verkehrsvernetzung, von Fahrzeugen, Personen, Infrastruktur und Netzwerken
Das Erfassen und Verarbeiten verkehrsbezogener Daten ermöglicht eine intelligente Verkehrssteuerung, oft ITS (englisch: Intelligent Transport System) abgekürzt. Die Vernetzung ergänzt ein kooperatives Element, aus ITS wird C-ITS (C für Cooperative). Wenn Verkehrsteilnehmer*innen miteinander und mit der Infrastruktur kommunizieren, können Fahrzeuge beziehungsweise ihre Fahrer*innen automatisch vor Risiken (Unfallstellen, Baustellen, Stauenden) gewarnt oder auf Verkehrszeichen hingewiesen werden. Der Verkehr kann anhand dieser Echtzeitdaten auch so geleitet werden, dass weniger oder gar keine Staus und somit weniger Emissionen entstehen, so die Erwartung.
Gleichzeitig droht ein Rebound-Effekt, also ein unter dem Strich gestiegener Energieverbrauch aufgrund der ununterbrochenen Erfassung, Übermittlung und Verarbeitung von Daten. Der Leiter des Geschäftsfelds Mobilität am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Michael Krail, spricht von bis zu 19 Terabyte an Daten, die ein vernetztes Fahrzeug pro Stunde generiert. Das entspricht dem Speicherplatz von 150 Smartphones (mit derzeit gängigen 128 Gigabyte Speicherplatz). Die Automobilhersteller arbeiten deshalb an effizienten Lösungen, bei denen nur ein Bruchteil der Daten übertragen wird.
Sowohl für die Verkehrssteuerung als auch für automatisiertes und autonomes Fahren wird ein digitales Verkehrszeichen-Kataster benötigt, also ein hochgenaues Verzeichnis, in dem steht, wo sich welche Verkehrszeichen befinden, wann sie aufgestellt wurden und so weiter.
Die neue Welle der Verkehrsvernetzung hat beim Auto angesetzt. Doch inzwischen können auch andere Fahrzeuge mit Sensoren ausgestattet und vernetzt sein. So werden Fahrräder und E-Bikes immer „smarter“, auch die E-Scooter der Sharinganbieter sammeln und verschicken Daten. Nicht zuletzt haben in Deutschland mehr als 60 Millionen Menschen ein Smartphone, das beispielsweise navigieren, Mitteilungen empfangen oder Wege tracken kann.
Auch aufseiten der Infrastruktur kommen zunehmend Sensoren und Übertragungstechnik zum Einsatz: Der Verkehr wird heutzutage immer weniger manuell gezählt, es entstehen neue digitale Testfelder für automatisiertes Fahren, Städte erproben die grüne Welle oder wollen den Parksuchverkehr mit ausgeklügelten digitalen Systemen reduzieren.
Dabei ist nicht abschließend ausgehandelt, wie die Gesellschaft mit all diesen Datenflüssen umgehen will. Zudem finden sich Stimmen, die die Lösung für unsere heutigen Verkehrsprobleme zwar in Daten, aber nicht zwingend in der Technifizierung unserer Umwelt sehen.
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